Rezension

Andreas Winkelmann - Killgame

Killgame - Andreas Winkelmann

Killgame
von Andreas Winkelmann

Bewertet mit 3 Sternen

Ich war sehr gespannt auf Andreas Winkelmanns neusten Thriller Killgame, denn ich habe schon mehrere Bücher von ihm gelesen, war bislang immer sehr angetan von seinen recht bizarren Ideen und dem rasanten Schreibstil, mit dem es dem Autor gelingt, schon auf den ersten Seiten, eine solche Spannung aufzubauen, dass man sofort gefesselt ist und das Buch kaum noch aus der Hand legen kann. Wenn man die Bücher Winkelmanns kennt, weiß man, dass sie nichts für schwache Nerven sind und es mitunter recht brutal und blutig zur Sache geht, was ich durchaus aushalten kann, wenn die Geschichte trotzdem etwas Tiefgang hat und mit einer schaurigen, beklemmenden Stimmung, unerwarteten Wendungen sowie interessanten und tiefgründigen Charakteren aufwarten kann. Dies alles habe ich bei Killgame jedoch teilweise ein wenig vermisst.
Die Idee, sadistische Psychopathen in der Abgeschiedenheit dunkler Wälder Jagd auf Menschen machen zu lassen, ist wenig innovativ und originell, hätte aber – zumindest wenn sie gut umgesetzt wird – absolut immer noch das Potential für einen nervenzerreißenden und spannenden Thriller. Schwierig ist es natürlich, einem so ausgelutschten Thema noch die nötige Würze und Einzigartigkeit zu verleihen. Dass dies aber durchaus gelingen kann, hat Zoran Drvenkar mit Still jüngst äußerst beeindruckend bewiesen. Unwillkürlich denke ich bei Menschenjagden aber stets an David Osborns Jagdzeit aus dem Jahr 1974, was zugegebenermaßen nicht ganz fair ist, denn einem Vergleich mit diesem brillanten Klassiker der Thrillerliteratur standzuhalten, ist nahezu unmöglich. Wie Andreas Winkelmann diese Thematik nun in Killgame umsetzt hat, war für mich leider ein bisschen enttäuschend, was vor allem an den überwiegend flachen und klischeehaften Protagonisten und an der Tatsache lag, dass einfach wenig Überraschendes passiert und ziemlich vorhersehbar ist, wie alles enden wird.
Dennoch ist das Buch zweifellos äußerst spannend. Man ist von Anfang an sehr gefesselt von der Geschichte, denn schonungslos und ohne Vorgeplänkel befindet man sich schon auf der ersten Seite inmitten der Wildnis Kanadas und wird sehr eindrücklich mit den klaustrophobischen Ängsten konfrontiert, die ein Mädchen in einem dunklen Verschlag unter der Erde durchleiden muss. Die einzelnen Passagen, die jeweils aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt werden, sind recht kurz, was ich als sehr angenehm empfinde, weil damit die Spannung kontinuierlich gehalten wird, da man natürlich immer wissen will, wie es mit dem jeweiligen Protagonisten weitergeht. Hinzu kommt, dass Winkelmanns Schreibstil gewohnt einfach und schnörkellos ist, sodass sich das Buch sehr zügig und flüssig lesen lässt.
Die Beschreibung des Schauplatzes ist sehr anschaulich und gelungen, denn die beklemmende und gefahrvolle Atmosphäre in den Wäldern Kanadas, in denen man sich in vollkommener Abgeschiedenheit von der zivilisierten Welt nicht nur vor schießwütigen Menschenjägern, sondern auch vor Schwarzbären fürchten muss, ist förmlich spürbar.
Was für mich jedoch einen wirklich gelungenen Thriller ausmacht, sind authentische Charaktere, in die ich mich einfühlen und mit denen ich mitfiebern kann. Leider konnten mich die meisten Charaktere nicht überzeugen, da sie zu klischeeüberladen sind, um noch glaubwürdig zu sein. Nia ist zwar noch sehr jung, aber von so einer grenzenlosen Naivität, dass man von Anfang an weiß, dass dieses naive Dummchen das Unglück anziehen wird, wie ein Magnet. Bis auf einen einzig lichten Moment, in dem sie kurzfristig ihr logisches Denken bemüht und sich ihres Verstandes bedient, nur um kurz darauf wieder in die nächste Falle zu tappen, fragte ich mich durchgängig, auf welchem Planeten dieses Mädchen bislang gelebt haben muss, um wirklich überhaupt keine Ahnung von den Gefahren in der Welt zu haben. Diese Arglosigkeit kann man sich wirklich nur erlauben, wenn man einen Onkel wie Dries Torwellen hat, denn dieser Kerl ist der Superheld schlechthin – furchtlos und mutig trotzt er allen Gefahren, verfügt über einen unglaublich schnellen Verstand, eine scharfe Beobachtungsgabe, räumt all seine Gegner gnadenlos aus dem Weg und ist natürlich geradezu unverwundbar. Unterstützt wird er bei der Suche nach seiner Nichte – man höre und staune – von seiner verstorbenen Schwester, denn deren Seele ruht bzw. wütet in einer kleinen Holzfigur, die er stets bei sich trägt. Vermutlich bin ich einfach zu rational und nüchtern, um solch übersinnlichen Dingen, wie dem Zwillingskult der Yoruba, dem Dries anhängt, etwas abgewinnen zu können. Wenn ich es auch durchaus nachvollziehen kann, dass man sich mit einem verstorbenen Menschen, dem man sehr nahestand, auch nach dem Tod eng verbunden fühlt und dessen Anwesenheit in manchen Momenten förmlich zu spüren glaubt, ging mir diese heftig vibrierende Zwillingsfigur, die den Hauptprotagonisten vor Gefahren warnt und ihm nahezu hellseherische Fähigkeiten verleiht, dann doch ein wenig zu weit. Wenn solche mystischen Elemente derartig überstrapaziert werden, trägt das leider nicht unbedingt zur Glaubwürdigkeit einer Geschichte bei. Äußerst interessant hingegen fand ich die kleine Reisegruppe, die für eine horrende Summe, einen Urlaub der etwas anderen Art bucht, um in den Wäldern Kanadas Jagd auf Menschen zu machen. Auch wenn hier wieder nahezu kein Klischee ausgelassen wurde, um in die Abgründe menschlicher Perversionen zu blicken, waren die Spannungen innerhalb dieser Gruppe und die zwischenmenschlichen Beziehungen dieser vier Personen untereinander überaus gelungen angelegt, hätten jedoch noch ein wenig tiefgründiger ausgearbeitet werden können.
Zweifellos ist Killgame trotz aller Schwächen ein durchgehend spannender und vor allem actiongeladener Thriller, aber ich hätte mir ein paar Leichen weniger, ein paar überraschende Wendungen mehr und ein bisschen mehr Tiefgang und Glaubwürdigkeit gewünscht.