Rezension

anstrengende Lektüre

Die Flucht -

Die Flucht
von Fuminori Nakamura

Dieser Roman handelt von einer Trompete, der, im 2. Weltkrieg von einer Militärkapelle gespielt, übernatürliche Kräfte nachgesagt werden. Eingesetzt wurde sie in den Kampfhandlungen zwischen Japanern und Amerikanern vom Mitglied des Musikkorps und Soldaten Suzuki. Später, wir befinden uns in der heutigen Zeit mit Smartphones, globaler Vernetzung durch Internet, den sog. sozialen Medien mit Influenzern, Twitter etc. pp., ist der junge japanische Schriftsteller Kenji Yamamine in den Besitz der Trompete gelangt. Nachdem seine große Liebe Anh in Japan getötet wurde, ist er mit der Trompete nach Köln geflohen. Hier wird er von mysteriösen Gestalten verfolgt, die ihm die Trompete abjagen wollen.

Soweit die grobe Rahmenhandlung des Romans. Das, was diesen fast 600 Seiten langen Roman ausmacht, ist das innerhalb dieses Romans Erzählte. Und das ist nicht wenig ! Der Leser erhält einen umfassenden Einblick in die japanische Geschichte, insbesondere in die Christenverfolgung in Japan, bis zurück ins 16. Jahrhundert, in die historischen Verbindungen Japans zu China, Frankreich, den Philippinen, Thailand, Vietnam, den USA. Thematisiert werden auch die Judenverfolgung in Nazideutschland, die Konzentrationslager in Dachau und Auschwitz.

Auch aktuelle Gesellschaftskritik findet Eingang in diesen Roman. Die unheilvolle Macht der sog. sozialen Medien, von Fake News, der globale Rechtsruck der politischen Systeme, der Einfluss von Sekten, hier bleibt nichts unerwähnt. Schonungslos und teilweise sprachgewaltig werden die Grausamkeiten des Krieges mit Vergewaltigungen und Folter, die Atombombenabwürfe auf Nagasaki im 2. Weltkrieg, desgleichen die grausamen und brutalen Verfolgungen Andersgläubiger geschildert.

Berichtet wird aus der Perspektive des jungen Kenji und schließlich aus der Perspektive des Musikers und Soldaten Suzuki. Es sind höchst interessante Gedanken und Erkenntnisse, die Nakamura hier liefert. Was mir jedoch gefehlt hat, war die Einbindung in den Gesamtzusammenhang des Erzählten. Ist es wirklich ein Roman, den ich gerade lese, habe ich mich gefragt oder sind es eher Essays, eingebettet in die Rahmenhandlung um die Trompete oder ist es ein Sachbuch über die Geschichte Japans ? Dieses Buch hat von allem etwas und das alles erschien mir nicht harmonisch zusammengefügt.

So habe ich mich durch die Seiten gequält, angetrieben von der Neugier, ob, wie und wann das Geheimnis um die Trompete und ihre Verfolger endlich gelüftet wird. Dieses Spannungsmoment wurde leider sehr stark geschmälert durch die m. E. zähflüssig zu lesenden essayhaften Ausführungen zu den oben genannten Themen.

Klar ist, dass es sich hier nicht um einen Wohlfühlroman handelt. Nakamura vermittelt einen ungeschönten und schonungslosen Blick sowohl auf die Zeit, in der wir leben, als auch auf die Menschheitsgeschichte. Doch das tun andere Werke der Literatur auch, ohne sich im Essayistischen und in der Wiedergabe historischer Fakten zu verzetteln. Hervorzuheben ist das literarische Talent des Autors, das u. a. in der Art, wie er wortgewaltig von der Gräueln des Krieges erzählt, wie ein funkelnder Diamant immer wieder aufblitzt.

Ich vergebe 3 Sterne.