Rezension

Archaisches Drama

Jeanie und Julius -

Jeanie und Julius
von Claire Fuller

Bewertet mit 4.5 Sternen

Als Dot Seeder überraschend tot zusammenbricht, sind ihre Zwillinge Jeanie und Julius 51 Jahre alt und kennen kaum etwas außer dem einfachen Cottage in Inkbourne und seinem riesigen Gemüsegarten, dessen Ertrag sie verkaufen. Dot hatte stets gepredigt, dass sie keine Almosen annimmt; alle drei waren seit Jahren nicht beim Arzt. Das Geld, das Julius als Tagelöhner in der Landwirtschaft und auf dem Bau verdient, kommt in eine Keksdose, ebenso die Einnahmen aus der Vertrauenskasse für den Gemüseverkauf. Weil Jeanie oft krank war, hat sie nicht Lesen und Schreiben gelernt. Auch Julius wird allein nicht damit fertig, seine gearbeiteten Stunden zu notieren und zu kontrollieren, ob er den  verabredeten Lohn erhalten hat. Als den Geschwistern wenige Tage nach Dots Tod der Strom abgestellt wird und mehrere Dorfbewohner angebliche Schulden bei ihnen eintreiben wollen, fragt man sich, wie in diesem Dorf in diesem Jahrhundert jemand wagen kann, andere Menschen derart dreist über den Tisch zu ziehen. Die bereits ergrauten Geschwister wirken hilflos, vor allem in der Beurteilung anderer Menschen. Wem sollen sie vertrauen, wenn Dot nicht mehr die Richtung weist? Der Vater starb bereits vor 30 Jahren. Warum hatte Dot für ihre Kinder keine Betreuungsperson bestimmt –  war sie etwa das Problem in ihrer Familie?

Clare Fullers Leser:innen folgen mit Focus auf Jeanie der schwer vorstellbaren Odyssee eines vereinsamten Zwillingspaars, dessen einzige Bezugsperson offenbar ihre Mutter Dot war. Ein archaisches Drama mit schwer erträglicher Anhäufung traumatischer Ereignisse und verblüffenden Wendungen - nichts für sensible Gemüter.