Rezension

Auch Henkersmahlzeiten können richtig lecker sein …

Scherbengericht - Veit Heinichen

Scherbengericht
von Veit Heinichen

Bewertet mit 5 Sternen

1999  wurde der Koch Aristèides Albanese, Sohn einer griechischstämmigen Triestiner Prostituierten zu Unrecht verurteilt und kehrt nun, nach 17 Jahren Haft zurück nach Triest. Zu seiner Verurteilung führten diverse Falschaussagen einer sehr rechtsorientierten Clique aus der Triestiner Oberschicht. Angeführt und gelenkt werden sie vom korrupten Antonio Gasparri, der mit seine fremdenfeindlichen Politik vor allem die eigene Tasche füllt. Aber Aristèides hat sich einen raffinierten Racheplan ausgedacht. Er bricht in die Häuser der Truppe ein, zaubert aus den im Kühlschrank vorhandenen Dingen ein unwiderstehliches Mahl, das am ende aber wahlweise bzw. je nach Konstitution des Opfers zu Magenkrämpfen oder aber zum Tod führt. Laurenti ist zuerst von dem Fall entnervt, aber nachdem sich ihm die Hintergründe der Tat offenbaren, schlägt er sich auf die Seite des ungewöhnlichen Rächers.

Veit Heinichen schafft es mit Scherbengericht ein stimmiges, lebendiges  und gleichzeitig bitterböses Bild von Triest zu zeichnen. Obwohl es hier gar nicht so sehr um Triest geht, sondern mehr um Europa und um die Gesellschaft in einer globalisierten Welt. Allerdings ist das gar nicht so schulmeisterlich, wie es hier bei mir klingt - im Gegenteil, eigentlich ist es sogar total lecker :-)

Rache

Während Commissario Laurenti sich zu Beginn noch mit dem etwas unklaren Tod einer englische Reederin. Unfall, Selbstmord oder Mord? Nur widerwillig lässt sich Laurenti in die wirtschaftlichen Sümpfe des Opfers hineinziehen. Aber bald nimmt Aristèides ausgeklügelter Rachefeldzug Laurentis gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch und er beschäftigt sich recht ausführlich mit den Hintergründen der damaligen Verurteilung.

Sympathie

Je mehr der Commissario recherchiert, desto sympathischer wird ihm der Rächer. Das sollte so natürlich nicht sein, auch wenn es verständlich ist. Was lange im unklaren bleibt, ist die Frage, ob Aristèides die zwölf Personen die seinerzeit falsch ausgesagt haben töten will, oder ob er ihnen nur einen Denkzettel verpassen will. Hier hapert es dann auch ein wenig mit der Logik - wer isst schon etwas, was zu Hause einfach so auf dem Tisch steht, ohne zu wissen wer es gekocht hat?

Ende

Das Ende erscheint mir wenig schlüssig und glaubhaft. Alle Dinge regeln sich irgendwie, Aristèides und ein pakistanischer Kollege Aahrash eröffnen eine Restaurant, in dem sie diverse gespendete Lebensmittel, die kurz vor dem Verfallsdatum sind, zu schmackhaften, einfachen und preisgünstigen Mahlzeiten kochen. Natürlich zählt Commissario Laurenti zu den den ersten Gästen. Das ist vielleicht eine wünschenswerte Entwicklung, aber realistisch ist das sicher nicht.

Krimiplot

Trotz des für mich etwas unglaubwürdigen Endes der Geschichte, hat mir Scherbengericht viel Spaß gemacht. Ich habe viel über Triest und seine Geschichte erfahren, einiges über seine kulinarischen Eigenheiten gelernt und auch die aktuellen Probleme, mit denen die italienische Stadt so zu kämpfen hat, kamen nicht zu kurz. Der Krimiplot stand hier zwar nicht im Mittelpunkt des Buches - war aber definitiv vorhanden :-)

Mein Eindruck:

Scherbengericht ist keine reiner Krimi, dafür gibt es zu viel Gesellschaftskritik, die von den eigentlichen Taten ablenkt. Aber ich habe ihn trotzdem gerne gelesen, denn spannend verpackte Gesellschaftskritik kommt  eher bei Lesern wie mir an, als trockene Zahlen, Daten und Fakten. In diesem Sinne kann ich das Buch auf jeden Fall weiterempfehlen.