Rezension

Auf der Suche nach dem Heiligen Gral

Der Wanderer - Bernard Cornwell

Der Wanderer
von Bernard Cornwell

Bewertet mit 4.5 Sternen

„Der Wanderer“ ist der zweite Teil einer Trilogie rund um die Suche nach dem Heiligen Gral, er gefällt mir noch besser als der erste Band rund um den „Bogenschütze[n]“ und der letzte Teil der Reihe – „Der Erzfeind“ steht schon auf meiner Leseliste.

Der Autor Bernard Cornwell studierte Geschichte, dies merkt man seinen Romanen an, man wird nämlich selten ahistorische Versatzstücke oder kitschige Phantastereien in ihnen finden. Vielmehr gibt es einen perfekten Mix aus fakten und Fiktion.  

Manche Elemente lassen sich womöglich auf die Vita des Autors zurückführen. In Cornwells Romanen geht es oft um (zunächst) ungeliebte junge Männer von dubioser Herkunft, die zu ihrer wahren Bestimmung finden müssen. Religionskritik spielt oft eine große Rolle in den Geschichten.

Cornwell schafft es jedoch wie kein Zweiter, das Mittelalter lebendig werden zu lassen, dafür schreckt er auch vor der Beschreibung von Folterszenen nicht zurück. Es geht jedoch nicht um pure Effekthascherei. Jede Szene hat eine Funktion in der Geschichte, fügt sich in den Erzählkontext ein. Auf mich wirken Cornwells Figuren wie Kinder ihrer Zeit und nicht wie protofeministische Heldinnen oder Menschen des 21. Jahrhunderts, die einfach ins Mittelalter „verpflanzt“ wurden.

Auch Band zwei der Reihe stellt die Suche nach dem Heiligen Gral in den Mittelpunkt. Der Hundertjährige Krieg tobt, und der englische König beauftragt einen jungen Mann, die heilige Reliquie zu finden.

  Doch existiert der wundertätige Kelch tatsächlich? Thomas von Hookton (eine Nähe zum Ungläubigen Thomas ist sicher zufällig) ist genesen aber skeptisch, und seine Zweifel ziehen sich durch die gesamte Erzählung. Dies gefiel mir gut; zu oft sind die Protagonisten in Geschichten rund um den Gral Fanatiker, die von der Richtigkeit ihrer Mission überzeugt sind. Thomas ist ein feinfühliger, nachdenklicher Protagonist, der sich erst noch finden muss:

 

 „Thomas setzte sich neben sie und blickte hinaus in die Dämmerung. Es hatte aufgehört zu regnen, und ein leichter Nebel lag über dem Land. Er war nicht sicher, ob es wirklich der Tag des heiligen Gallus war; während ihrer Reise hatte er das Zeitgefühl verloren. Vielleicht war es schon der Tag der heiligen Audrey? Es war Oktober, so viel wusste er, und man schrieb das Jahr 1346 nach Christi Geburt, aber er konnte nicht genau sagen, welcher Tag heute war. Man verlor so leicht den Überblick. Sein Vater hatte ihm einmal alle Sonntage im Kirchenjahr aufgezählt, und Thomas hatte sie am nächsten Tag wiederholen müssen. Verstohlen bekreuzigte er sich. Er war der Bastard eines Priesters, und das brachte angeblich Unglück. Ein Schauer überlief ihn. Es lag eine Schwere in der Luft, die nichts mit dem hereinbrechenden Abend, den Regenwolken und dem Nebel zu tun hatte. Gott stehe uns bei, dachte er, diese Dämmerung verheißt nichts Gutes. Er bekreuzigte sich erneut und sprach ein stilles Gebet zum heiligen Gallus und seinem gehorsamen Bären.“

 

Das Hörbuch hat mich gut unterhalten, der Sprecher schaff es, mithilfe seiner Stimme Spannung zu erzeugen. Historische Schlachten spielen eine große Rolle, etwa die Schlacht von Neville’s Cross, in welcher die Engländer die Schotten, die ihrerseits von der französischen Krone unterstützt wurden, besiegten. Man muss sich für Kampfszenen begeistern können, sonst wird man am „Wanderer“ keinen Gefallen finden. Ich mochte vor allem die Szenen, in denen Bogenschützen zum Zuge kamen.  Obwohl kriegerische Auseinandersetzungen eine große Rolle spielen, kommt die Figurenzeichnung aber nicht zu kurz.

Das Hörbuch bietet spannende Unterhaltung, das Mittelalter wird regelrecht lebendig – die Inquisition spielt eine Rolle, ebenso wie Krieger und Könige.

Ich vergebe  daher 4,5 von insgesamt fünf möglichen Sternen für den „Wanderer“!