Rezension

Aufklärend, aber leider mit einem lustlosen Schreibstil

Online fühle ich mich frei - Julia Kristin, Daniel Oliver Bachmann

Online fühle ich mich frei
von Julia Kristin Daniel Oliver Bachmann

Bewertet mit 3 Sternen

“Online fühle ich mich frei” ist Teil der “Mein Leben”-Reihe, die in regelmäßigen Abständen im Arena Verlag veröffentlicht wird. In dieser Reihe schreiben Jugendliche und Erwachsene ihre Erfahrungen nieder, die sie in der Jugend erleben haben. Dabei gibt es auch keine Tabuthemen: Selbstverletztendes Verhalten (SVV), Magersucht und Aufenthalte in der Justizvollzugsanstalt werden u.a. angesprochen. Da ich “Mein Leben” bislang sehr intensiv verfolgt habe, war schnell klar, dass ich auch diesen Band lesen möchte.

Julia Kristin war lange Zeit süchtig nach Computern, dem Internet und insbesondere dem Social Media. Zusammen mit Daniel Oliver Bachmann, der bereits an “Mit 18 mein Sturz: Mein Leben im Gefängnis” beteiligt war, schreibt sie ihre Erfahrungen nieder.
Bislang habe ich den Schreibstil der jeweiligen Autoren immer sehr gemocht, da man oftmals merkt, wie sehr sie noch mit der Vergangenheit hadern, bei Julia Kristin war ich allerdings nur mäßig begeistert. Man merkt, dass sie sich große Mühe gegeben hat, alles sehr detailliert zu schildern, allerdings wirkt manches auch sehr lieblos und zu kalt. Mir haben auf vielen Seiten die nötigen Emotionen gefehlt, um mich voll und ganz auf ihr Schicksal einlassen zu können. Allerdings schreibt sie ihr Leben und dessen Verlauf sehr authentisch nieder, was wiederum ein Pluspunkt ist. Wie gesagt, Emotionen haben klar gefehlt, allerdings macht sie einiges wieder gut, indem sie über ihre Vergangenheit schonungslos berichtet.

Das Thema Onlinesucht ist dagegen sehr interessant. Für jeden, der oft online ist, stellt sich irgendwann einmal die Frage, ob man onlinesüchtig ist, bzw. ob man auch mal auf das Internet komplett verzichten könnte. Bei Julia Kristin merkt man jedoch schnell, dass sie ohne das Internet und ihren Computer nicht kann. So wünscht sie sich sogar, dass ihre Adoptivmutter ebenfalls bei Facebook ist, damit sie wenigstens dort Freunde sein und darüber kommunizieren können, damit sie z.B. nicht einmal mehr hinunter ins Wohnzimmer muss. Als man ihr den Computer im Arbeitszimmer verboten hat, hat sie aus Frust die Tür eingetreten, was schon deutlich zeigt, dass sie die Realität immer mehr verliert und sich an ein Leben im World Wide Web klammert.

Aber es geht in diesem Buch nicht nur um das Thema Onlinesucht. Julia Kristin musste in ihrem Leben einiges durchmachen: Ihr Stiefvater hat sie immer unter Druck gesetzt, bei Geschenken wurde eine Gegenleistung erwartet und er hat ihr durch eine gewisse Tat einen großen Traum zerstört. Dazu wird sie immer wieder von Verletzungen und Krankheiten geplagt, die alles andere als angenehm sind.

Etwas befremdlich finde ich die Statusmeldungen auf Facebook. Pro Kapitelanfang wird eine Statusmeldung abgedruckt, wirklich informativ sind diese allerdings nicht, erst recht nicht, wenn es ein Zitat ist, das nicht einmal von ihr selbst stammt.

Die Covergestaltung gefällt mir leider überhaupt nicht. Auf dem Cover ist die Autorin abgebildet, was ich prinzipiell gar nicht mal so schlecht finde, allerdings passt das Cover so gar zum Rest der Reihe, denn dort sind die Cover allesamt im Comicstil, was mir deutlich besser gefällt. Ich kann es leider nicht nachvollziehen, wieso der Verlag so plötzlich die Gestaltung verändert hat.

Insgesamt ist “Online fühle ich mich frei: Mein leben im Netz” ein Buch, dass leider viel zu häufig unter seinem zu nüchternen Schreibstil leidet. Allerdings ist die Thematik sehr interessant, da man in der heutigen Zeit (leider) nicht um das Thema Internet herumkommt und somit schnell selbst betroffen sein kann. Ich kann mir das Buch sehr gut als Schullektüre vorstellen und hoffe, dass die “Mein Leben”-Reihe bald mehr Aufmerksamkeit erhält.