Rezension

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Außergewöhnlich, speziell und unerwartet anderes Buch

Das wilde Herz des Wacholders - Vanessa Roggeri

Das wilde Herz des Wacholders
von Vanessa Roggeri

Bewertet mit 5 Sternen

In der Nacht auf Allerseelen im Jahr 1880 kommt das siebte Kind der Familie Zara auf die Welt. Es ist wieder ein Mädchen. Alle Gebete waren umsonst. Nach einem alten Aberglauben ist dieses Mädchen eine Coga, eine Hexe.
S. 12 Um ein Haar hätte es die Hebamme fallen lassen. Ihre Miene war düster, ihr Blick auf einen Schlag uralt und in weite Ferne gerichtet uner Gedanken, die man lieber nicht streifte, denn sie waren hässlich und drehten sich um Dinge, so schwarz und unheilvoll wie die Nacht. ...
Das Kind trug die Merkmale des Teufels. 

Die alte Hebamme bringt den Säugling zum Großvater und Vater in die Küche. Es lag nun an Severino, dem Vater, etwas zu tun, was getan werden musste. Doch er konnte sich nicht überwinden, das Baby zu töten und so überließ er es draußen dem Wetter, der Natur. Aber das blieb nicht unbemerkt. Die älteste Tochter Lucia schleicht sich hinaus und holt das Baby herein.
Wenn ein Aberglaube sich erst einmal im Kopf festgesetzt hat, wird alles was von nun an im Haus der Familie passiert,  der Anwesenheit von Ianetta zugeschrieben. Sie darf zwar bleiben, aber nicht am Familienleben teilnehmen. Ianetta wird behandelt wie eine Aussätzige.
Handlungsort von "Das wilde Herz des Holunders" ist ein kleines Dorf in Sardinien. Die Geschichte beginnt Ende des 19. Jahrhunderts. Es herrscht eine beklemmende Atmosphäre von Beginn an und diese Finsternis, das Alte,  zieht sich schon fast durchs gesamte Buch. Die Verbundenheit zwischen Lucia, die Ianetta gerettet hatte, finde ich sehr gut beschrieben. Ianetta allerdings zieht sich mehr und mehr zurück und lebt schließlich als Einsiedlerin im Wald. 
Ianetta, was will der Titel des Buches dem Leser sagen. Eine Coga, eine Hexe, darunter stellen wir uns alte, knorrige Frauen vor, zäh im Leben, zäh im Nehmen. Zäh und knorrig wie Wacholder. In Mythen und Sagen liest man oft davon, dass Hexen Wacholderäste als Hexenstab benutzen. Wacholder ist ein Gehölz, dem man Robustheit zuschreibt. Und so ist auch Ianetta,  zäh und robust wie der Wacholder.
Das Cover ist ansprechend. Wenn man auf das Bild schaut, das alte Haus mit dem hohen Baum im Hintergrund, kann man sich das damalige Leben schon vorstellen, so wie beschrieben.
Sprachlich hat mich die Autorin überzeugt, denn sie schafft es mit einer bildhaften und flüssigen Schreibweise den Leser durch knapp 272 Seiten zu begleiten und ihm die Geschichte nahe zu bringen.
Die Grundidee zum Buch, das Thema Aberglaube ist gut umgesetzt. Auch wenn diese Geschichte in einem anderen Jahrhundert spielt, denke ich, entspricht es immer noch der Realität.
Für mich ist "Das wilde Herz des Holunders" ein überraschend gutes Buch, das sich aus dem Genre Frauenroman hervorhebt. Deshalb von mir klare Leseempfehlung. Man sollte die Autorin im Focus behalten.