Rezension

Außergewöhnlicher Roman

Die Halbwertszeit der Liebe - Corinna T. Sievers

Die Halbwertszeit der Liebe
von Corinna T. Sievers

Bewertet mit 4 Sternen

Dr. Margarete Dorn, Schönheitschirurgin, kühl, analytisch, kritisch, trifft auf einem Kongress auf Professor Hans Heinrich. Sie, die sich selbst als frigide und gefühlsunfähig beschreibt, ihren Körper ablehnt, anorektisch ist, beschließt diesen älteren, übergewichtigen Wichtigtuer zu lieben.
Das ist verwunderlich, kann sie doch in wenigen Augenblicken ihr Gegenüber klassifizieren, erkennt seine körperlichen Schwachstellen, weiß wo und wieviel Fett abzusaugen ist, kann den Penis nach Länge und Umfang definieren, sowohl im Ruhe- wie auch im Erregungszustand und setzt ihren Körper durchaus aus zur Verführung ein. Allein, sie selbst bleibt unbeteiligt, ihr ist es nicht gegeben, Erregung zu spüren, zu lieben.
Das alles will sie bei Heinrich finden, sie unterwirft sich, lässt sich auf Prüfungen und Liebesbeweise ein, zeigt Demut und behält doch immer ihre ironische Distanz. „Das meine Demut ihn entmündigt, entgeht ihm“ ist ein Satz, der genau beschreibt, dass Margarete sich klein macht, aber doch immer die Oberhand behält.
Ein gemeinsames Wochenende in den Bergen soll folgen und dort spitzt sich das Verhältnis zu, ein weiterer Mann kommt ins Spiel, sie erreichen zu dritt den Gipfel, aber nur Heinrich und Margarete kommen ins Tal zurück.
Ich weiß nicht, wie ich das Buch beschreiben soll, eine Selbstfindung, eine Liebesgeschichte, die Geschichte einer unglücklichen Frau…., aber was bleibt ist die Faszination, die dieser Text auf mich hatte. Ich konnte mich der Geschichte von Margarete nicht entziehen, es gibt so viele Deutungsmöglichkeiten, dass ich noch lange mit dem Roman beschäftig bin.
Nicht zuletzt hat mich diese unterkühlte und trotzdem vor Erotik knisternde Sprache in Bann gezogen. Ein außergewöhnliches Buch einer außergewöhnlichen Autorin.