Rezension

Bedrückende Dystopie, die ihr Potenzial bisher nicht ausgeschöpft hat

Das Orakel von Farland - Band 1: Elysium - Charlotte Richter-Peill

Das Orakel von Farland - Band 1: Elysium
von Charlotte Richter-Peill

Bewertet mit 3 Sternen

„Elysium“ von Charlotte Richter-Peill habe ich im Rahmen einer Leserunde gemeinsam mit der Autorin und anderen Lesern diskutieren dürfen. Dieser Austausch war für mich hilfreich, um ein Buch einordnen zu können, das sehr eigene Wege bestreitet. „Elysium“ ist eine Dystopie für Jugendliche und junge Erwachsene und kann wie viele Bücher seiner Art auch altersübergreifend gelesen werden. Es setzt jedoch spezielle Schwerpunkte, die der Autorin wichtig waren, unter deren Last sich die Geschichte von Protagonistin Fenja aber nicht durchgängig dynamisch entwickeln konnte.

 Das Buch spielt in einer Zukunft, in der es kaum noch Kriminalität und Verbrechen gibt, da Menschen in jungen Jahren von einem „Orakel“ geprüft und ausgesondert werden, sobald in ihnen negative Persönlichkeitsstrukturen erkannt werden. Diese Menschen kommen daraufhin nach „Elysium“, eine Art Umerziehungsanstalt, wo sie angeblich gefördert und wieder auf den richtigen Weg gebracht werden. Heldin der Geschichte ist Fenja, ein junges Mädchen, das nie und nimmer geglaubt hätte, selbst einmal in „Elysium“ zu landen und auf jene, die ausgesondert wurden von oben hinab geschaut hat. Nun muss Fenja selbst nach „Elysium“ und dort nicht nur ihre Einstellung gegenüber einem auf Optimierung ausgelegten System neu überdenken, sondern sich auch ihren eigenen, dunklen Dämonen stellen.

Die Weichen für eine spannende Geschichte scheinen gestellt – denn Charlotte Richter-Peill schickt ihre Protagonistin, das stellt sich schnell heraus, in eine Einrichtung, in der keinen durchschaubaren Regeln gefolgt wird, in der fragwürdige Werte hochgehalten und die „Insassen“ psychisch gequält werden. Hier landen mitnichten nur Verbrecher, sondern auch Menschen, die kleine Fehler begangen haben, die krank sind oder unbequem für das System.

Die inhumanen Zustände in „Elysium“ lernen wir gemeinsam mit Fenja innerhalb ihres bedrückenden Alltages kennen – wenn sie Gespräche mit anderen Jugendlichen führt, an verhörartigen Gesprächsrunden teilnimmt, sich Dokumentationen oder politische Werbefilme anschaut. Wir begleiten Fenja zu Arbeitsdiensten auf dem Feld, in die Küche, auf eine Tötungsstation für Tiere, in einen Krankenflügel – Erlebnisse zwischen einfacher, harter Arbeit und schockierender Traumatisierung.

Das Buch bietet eine Diskussionsgrundlage für interessante Fragen – als Geschichte funktionierte es für mich allerdings nur bedingt. Viele Szenen wirkten auf mich sprunghaft aneinandergereiht und liefen für mich nicht zu einer spannenden Ereigniskette zusammen.

Probleme hatte ich vor allem mit Protagonistin Fenja, die sich ihrem Schicksal weitestgehend widerstandslos ergibt. Die Geschichte setzt an dem Tag ein, als Fenja die Reise nach „Elysium“ antritt. Nach einem vielsprechenden, unmittelbaren Start, hatte ich aber schnell das Gefühl, gemeinsam mit Fenja auf der Stelle zu treten und die Geschehnisse hauptsächlich zu erdulden und zu beobachten – dies noch verstärkt durch einige ausführliche Rückblicke.

Die Autorin erklärt Fenjas Zurückhaltung damit, dass diese von Hause aus keine Kämpfernatur sei und sich erst selbst finden müsse. Das ist eine für mich absolut schlüssige Erklärung. Mir persönlich fiel es trotzdem schwer, einer weitestgehend passiven Figur zu folgen. Ich hätte mir gewünscht, eine nachvollziehbare Entwicklung vom verwöhnten Mädchen zur Kämpferin mitzuerleben, die aber in diesem Auftaktband weitestgehend ausblieb.

Charlotte Richter-Peill hat sich außerdem bemüht, die dunklen Charakterseiten ihrer Protagonistin aufzuzeigen, wodurch mir diese nicht immer sympathisch war. Fenja ist häufig impulsiv, im Guten wie im Schlechten. Sie kann mitfühlend sein, aber auch missgünstig und wütend. Reflektierende Gedankengänge zu diesen Schattenseiten folgten für mich keiner klaren Linie, so dass Fenja sich auch in dieser Hinsicht nur wenig entwickelte und bis zum Ende für mich immer etwas unberechenbar und undurchsichtig blieb.

Leider fehlten mir auch Bilder, die das Kopfkino in Gang setzen und Spannung erzeugen. Die Welt von Farland, in der diese Dystopie spielt, entstand nicht vor meinem inneren Auge, auch deshalb nicht, weil der Blick auf die Figurenpalette häufig nur oberflächlich fällt - die Direktorin von „Elysium“, Fenjas Familie, die Mitgefangenen, die Mentoren, die den Jugendlichen zur Seite gestellt werden - allesamt Charaktere, die ausschnitthaft Einblicke in ein Unrechtssystem gewähren, zu häufig aber in den Rändern ihr Dasein fristen. Dabei hätte ich über einige Figuren sehr gerne, sehr viel früher, sehr viel mehr erfahren – vor allem über Fenjas Mentor Merten, der sich zu einer wichtigen, vielschichtigen Figur zu entwickeln scheint.

Ich habe vor einigen Jahren ein anderes Buch der Autorin gelesen („Magoria“), das mir sehr gefallen hat. „Elysium“ habe ich mit Spaß begonnen zu lesen, aber etwas enttäuscht beendet. Der Roman wirft viele wichtige, diskussionswürdige und diskutierte Fragen auf. Was ist normal? Was ist unnormal? Was ist gut, was ist schlecht? Was ist behandlungsbedürftig, was sollte besser nicht behandelt werden? Der Plot selbst gerät über diese Überlegungen aber ins Straucheln und konnte mich letztendlich nicht mitreißen.

Wie erwähnt handelt es sich um eine Trilogie, so dass Fenjas Weg womöglich gerade erst wirklich begonnen hat und das Entwicklungspotenzial keineswegs erschöpft ist. Das Ende des Buches legt dies durchaus nahe. Doch leider hat mich dieser erste Teil trotz seines kurzweiligen, guten Schreibstils nicht wirklich neugierig auf die Fortsetzungen machen können.

Meine Eindrücke, das möchte ich aber betonen, sind – wie stets – subjektiv. Andere Leser mögen diese Geschichte vollkommen anders bewerten und erleben.