Rezension

Beeindruckende Geschichte

Das Mädchen - Angelika Klüssendorf

Das Mädchen
von Angelika Klüssendorf

In ihrem Roman "Das Mädchen" beschreibt Angelika Klüssendorf eine trostlose Kindheit, die man so eigentlich nicht als Kindheit bezeichnen kann.
Der Roman beginnt mit "Scheiße". Das Mädchen und ihr Bruder sind in der Wohnung eingesperrt, die Gemeinschaftstoilette befindet sich im Treppenhaus. Die Eimer quellen über und sie versuchen, auf sich aufmerksam zu machen.
Wenn der Vater betrunken ist, schlägt er die ebenfalls trinkende Mutter, die ihren Frust an ihren Kindern auslässt und diese schlägt oder drangsaliert. Dabei ist es egal, ob die Kinder gelogen haben oder die Wahrheit sagen - jeder Anlass ist der Mutter recht.
Sie lässt sich Schikanen einfallen, z.B. muss der jüngere Bruder Alex mit ausgestreckten Armen je 1 Kissen hochhalten.
Die Kinder verhalten sich vorsichtig in ihrer Nähe, das Mädchen lotet stets die jeweilige Stimmung aus, Alex entwickelt Ticks. Nie können die Kinder sicher sein, wie mit ihnen umgegangen wird, die Laune der Mutter schlägt schnell um.
Ab und an wird das Mädchen in den Keller gesperrt, wo sie in "Brehms Tierleben" liest. Überhaupt liest sie gerne.
In der Schule ist das Mädchen eine Außenseiterin,wird von ihren Mitschülern "Rippchen" genannt. Doch sie ist zäh, gibt nicht auf. Der Leser merkt schnell, dass das Mädchen einen Überlebenswillen hat, das es so schnell nicht aufgeben wird, egal wie schlimm seine Situation ist.
Sie haut ab, landet in einem Heim, wo es ebenfalls nicht sehr angenehm ist; doch dort kann sie endlich Kind sein.
Das Thema DDR wird nur am Rande erwähnt, wie z.B. in dem Heim, wo das Mädchen zum Heimleiter zitiert wird und er ihr sagt, " ihm sei zu Ohren gekommen, dass sie sich am sozialistischen Eigentum vergriffen habe".
Klüssendorf erzählt eindringlich und distanziert und nie anklagend, jammernd und damit ein bedrückendes, aber lesenswertes Buch geschrieben.
Der Roman stand auf der shortlist zum Deutschen Buchpreis 2011.