Rezension

Beeindruckende Komplexität

Das Lied von Eis und Feuer 02. Das Erbe von Winterfell - George R. R. Martin

Das Lied von Eis und Feuer 02. Das Erbe von Winterfell
von George R. R. Martin

Bewertet mit 5 Sternen

"Uns vernichtet stets das, was wir lieben. [...] Achte darauf, dass du es nie vergisst. Die harten Wahrheiten sind diejenigen, an die man sich halten sollte."

Ich habe die Reihe vor vielen Jahren schonmal gelesen und daher war es für mich ein Reread. Eigentlich mag ich das nicht so, weil mir Geschichten relativ gut im Gedächtnis bleiben - hier ist es aber kein Problem, da die Handlung sehr komplex ist und die vielen verschiedenen Perspektiven immer für Abwechslung sorgen. Die Handlung im Groben kannte ich deshalb zwar (und finde sie immer noch genauso toll wie beim ersten Lesen - wenn nicht sogar noch besser), aber die zahlreichen Details haben abwechselnd verschwommene Erinnerungen aufblitzen lassen und Neues zum Leseerlebnis beigesteuert. 

Über die Handlung muss wohl nicht viel gesagt werden - den meisten, die in diesem Genre unterwegs sind, dürfte sie wohl zumindest im Groben bekannt sein. Und wer Band 1 gelesen hat, muss zu Band 2 wahrscheinlich nicht erst überredet werden, denn bereits Band 1 war einfach großartig. Hier wird dies nun fortgesetzt; die Bücher gehen mehr oder weniger nahtlos ineinander über (logisch, sind sie im Original ja in einem Band zusammengefasst) und es wird sogar noch viel spannender, als es im ersten Teil war. Konflikte spitzen sich zu, sowohl zwischen einzelnen Personen als auch im ganz großen Stil und die kompletten Sieben Königslande betreffend. Altbekannte Gesichter tauchen auf, manche rücken etwas mehr in den Vordergrund, andere werden eher zurückgestellt. Während Ned darum kämpft, den königlichen Hof zur Vernunft zu bringen, nimmt Catelyn Tyrion gefangen. Jon muss sich auf der Mauer behaupten und Daenerys ihre Machtposition ausbauen. Es werden Geiseln gefangen genommen und Schlachten ausgefochten, Pläne für die Zukunft des Reiches geschmiedet und dabei die unterschiedlichsten Strategien verfolgt. Am Ende lässt sich erahnen, dass sich bald mehr als bloß zwei große Mächte gegenüberstehen werden, wenn das eigentliche Spiel um den Thron beginnt...

Ich bin nach wie vor von der Reihe begeistert. Die Komplexität, mit der diese Welt entworfen wurde, ist wirklich atemberaubend. Es wurde so viel Liebe ins Detail gesteckt, so unfassbar viele Personen treten auf. Durch die ständig wechselnden Perspektiven weiß man gar nicht wirklich, auf wessen Seite man letztendlich eigentlich steht - mag man zwar dem ein oder anderen mehr Sympathie entgegenbringen als dem anderen, durch den tiefen Einblick in die Charaktere kann man doch die Entscheidungen der Protagonisten sehr oft nachvollziehen, auch wenn man selbst vielleicht anders gehandelt hätte. Man lernt, manche Figuren zu lieben und andere zu hassen, merkt, dass nicht jeder tief in sich drin auch wirklich der ist, den er nach außen hin spielt. Der Punkt ist, dass alles einfach extrem realistisch dargestellt ist. Durch die verschiedenen Handlungsorte, die über den ganzen Kontinent verteilt sind und auch über dessen Grenzen hinaus, erhält man eine Art allumfassenden Blick auf das Reich und muss sich nicht mit Sicht und Sichtweise einer einzelnen Person zufriedengeben. Auch die vielen Nebenfiguren, auch jene, die teils vielleicht nur namentlich erwähnt werden, erzeugen ein Gefühl von Dreidimensionalität und Vielschichtigkeit, die wiederum den Eindruck erwecken, Westeros könne genau so tatsächlich irgendwo existieren. 

Man merkt, ich bin fasziniert von dieser Welt, ihren Figuren und der Handlung. Ich freue mich auf den nächsten Band.