Rezension

Beeindruckender Roman

Und über uns die Sterne - Irma Joubert

Und über uns die Sterne
von Irma Joubert

Bewertet mit 5 Sternen

„...Ohne gegenseitiges Vertrauen kann man keine Beziehung aufbauen, man braucht es gar nicht erst zu versuchen...“

 

Wir schreiben das Jahr 1932. Kate lebt in Südafrika als jüngste Tochter eines Bergbauunternehmers und studiert Soziologie. Ihr Leben scheint vorgezeichnet. Duncan Stafford, Finanzchef ihres Vaters und bester Freund ihres Bruders, gilt als ihr Bräutigam. Den theoretischen Teil ihre Masterarbeit hat Kate beendet. Es geht um die Frage, warum es den armen Weißen in Südafrika nicht gelingt, aus der Kultur der Armut auszubrechen. Um die Arbeit beenden zu können, muss sie Feldforschung betreiben, das heißt, sie muss die Armenviertel von Johannesburg besuchen und mir den Leuten reden. Ihre Familie ist nicht begeistert, doch letztendlich stimmen sie ihrem Vorhaben zu. Sie stellen ihr Bernard Neethling als Schutz zur Seite, Minenarbeiter und einer der führenden Köpfe der Gewerkschaft.

Die Autorin hat einen spannenden und abwechslungsreichen Roman geschrieben. Das Buch lässt sich zügig lesen und hat mich schnell in seinen Bann gezogen.

Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Kate nimmt ihre Arbeit ernst. Sie möchte nicht nur behütete Tochter aus gutem Haus sein. Allerdings versteht sie, ihren Kopf durchzusetzen. Besonders innig ist die Beziehung zu ihrem Vater. Sie bewundert seine Stärke. Er hatte es als Engländer in Südafrika nie leicht. In Bernard sieht sie Parallelen zu ihrem Vater.

Kates Eltern engagieren sich auf sozialem Gebiet. Die Weltwirtschaftskrise geht auch an Südafrika nicht spurlos vorüber. Sie bedeutet Auseinandersetzung mit der Gewerkschaft.

Der Schriftstil des Buches ist dem Genre angemessen, hat aber einige Besonderheiten. So ist das Lesen der Dialoge, in denen der Höhergestellte in dritter Person angesprochen wird, gewöhnungsbedürftig, dürfte aber dem Zeitgeist entsprochen haben. Sehr detailliert werden die Verhältnisse im Armenviertel, auf den Diamantfeldern und unter der armen Dorfbevölkerung beschrieben. Kate findet sich plötzlich in Verhältnissen wider, von deren konkreter Existenz sie keine Ahnung hatte. Nach dem ersten Schock beißt sie sich durch. Dabei wird sie auch mit der Vergangenheit ihrer Eltern konfrontiert, die bisher nie ein Thema war. Zu den sprachlichen Höhepunkten gehören die Dialoge zwischen Kate und Bernard. Sie ermöglichen Einblicke in die unterschiedlichen Lebensverhältnisse, zeigen, wie die gegenseitige Achtung wächst, und zwischen beiden sich langsam eine zarte Beziehung entwickelt. Mit passende Metaphern wird die Landschaft beschrieben. Viel Wert legt die Autorin auf die Wiedergabe von Emotionen. Kates Sehnsucht, Duncans Enttäuschung, die Gelassenheit von Kates Vater und die liebevolle Zuwendung ihrer Großmutter sind nur einige Beispiele dafür. Einzig den Sinn von Kates Arbeit habe ich so ganz begriffen, weil mir die Konsequenzen fehlten.

Erst im Laufe der Handlung wird deutlich, dass es auch um Schuld und Vergebung geht. Fragen des Glaubens werden nur sehr vorsichtig angesprochen, spielen aber unterschwellig häufiger eine Rolle.

Das dunkle Cover mit dem nachdenklichen Frauenkopf passt.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, dass Liebe auch Grenzen überwinden kann, wenn beide Seiten das Ihre dafür tun.