Rezension

Beeindruckender Roman über das KaDeWe

KaDeWe. Haus der Träume -

KaDeWe. Haus der Träume
von Marie Lacrosse

Bewertet mit 5 Sternen

„...Rieke Krause kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, als sie an der Hand der Mutter die prächtige Eingangshalle des Kaufhauses des Westens betrat...“

 

Mit diesen Zeilen beginnt die Geschichte am 8. August 1907. Die zehnjährige Rieke hat ihre Mutter überredet, sie an diesem Tag mitzunehmen. Noch ahnt Rieke nicht, welchen Weg sie in ihrer Zukunft im Kaufhaus nehmen wird. Käthe Krause ist Chefin der Putzkolonne im Warenhaus. Für sie wird es ein anstrengender Tag, denn als Gast wird Rama V., König von Siam, erwartet.

Die Autorin hat einen spannenden historischen Roman geschrieben. Die exakte Recherche der Geschichte des Kaufhauses KaDeWe und der historischen Zusammenhänge ist in jeder Zeile spürbar.

Der Schriftstil ist ausgereift. Er lässt sich flott lesen. Positiv fällt sofort auf, dass jedes Kapitel mit Ort und Datum beginnt. Ändert sich eines von beiden innerhalb des Kapitels, werden die neuen Angaben mittig eingefügt. Auch Zeitangaben sind, wenn nötig, enthalten.

Seit dem Prolog sind sieben Jahre vergangen. Drei Familien stehen im Mittelpunkt der Handlung. Das ist zum einen Adolf Jandorf, der Besitzer des KaDeWe mit seiner Frau und seinem Sohn, zum anderen Paul Bergmann, der Justiziar, und zum dritten Käthe Krause.Sehr gut werden Herkunft und Leben dieser Familien geschildert. Jandorf hat seinen Aufstieg seinem Fleiß und seinem kaufmännischen Geschick zu verdankten, Bergmann stammt aus einem bürgerlichen jüdischen Haus und hat studiert. Jandorf und Bergmann sind befreundet. Käthe hält mit ihrem Gehalt die Familie mehr schlecht als recht über Wasser. Das hat vor allem mit ihrem Mann zu tun, der nach einem Unfall dem Alkohol verfallen ist. Käthe verschafft ihrer Tochter Rieke eine Stelle im Kaufhaus. Die hat schnell begriffen, was das für eine Chance für sie birgt, wenn sie sich bewährt.

 

„...Auch die meisten Aufsichtsdamen, wie man die hochrangigste weibliche Vorgesetzte nannte, waren entweder ledig oder verwitwet mit bereits erwachsenen Kindern. Aufsichtsdame zu werden war die höchste Führungsposition, die einer Frau im Kaufhaus offenstand...“

 

Die Geschichte lebt durch ihre vielfältigen Dialoge, die einen Einblick in die Gedankenwelt der Protagonisten geben, durch die Einbeziehung des historischen Geschehens insbesondere des Ersten Weltkriegs und des danach zunehmend aufkommenden Antisemitismus und durch den Blick in die verschiedensten Lebensbereiche der damaligen Zeit. So macht Judith Bergmann ein Praktikum im Berliner Scheunenviertel. Dadurch lerne ich die Armut der eingewanderten osteuropäischen Juden kennen. Natürlich spielt auch die Inflation eine Rolle.

Ein Beispiel für inhaltsreiche Dialoge mit historischen Bezug ist das Gespräch zwischen Johannes Bergmann und Harry Jandorf. Sie haben völlig konträre Ansichten zum Tode von Franz Ferdinand. Harry sieht ihn als Held, Johannes äußert sich so.

 

„...Heute ist der Sankt-Veits -Tag, ein serbischer Feiertag, der an die Befreiung ihres Volkes von der osmanischen Herrschaft erinnert. Was hat dieser dämliche Thronfolger denn ausgerechnet an diesem Tag im erst vor wenigen Jahren annektierten Bosnien zu suchen?...“

 

Neben der Familie Jandorf haben weitere historische Personen einen längeren oder kürzeren Auftritt im Roman. Mancher kauft nur im KaDeWe ein, andere wie Eglantyne Jebb bringen sich persönlich ein.

Der erste Teil endet mit dem Verkauf des KaDeWe an die Familie Tietz.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Dazu beigetragen hat unter anderen, dass viele Gegensätze der Zeit gut herausgearbeitet und Protagonisten vielschichtig dargestellt wurden. Adolf Jandorf war eben nicht nur Besitzer von Kaufhäusern für Gutverdienende, er engagierte sich auch sozial für die Kinder in den Scheunenviertel.Ich freue mich schon auf Teil 2.