Rezension

Bewegende Biografie

Ich war doch noch ein Junge -

Ich war doch noch ein Junge
von Steven W. Brallier

Bewertet mit 5 Sternen

„...Mitka Kalinski sitzt in seinem Haus in Sparks, Nevada, als er von einem seiner frühesten Kindheitstrauma erzählt. Seine geballte Fäuste unterstreichen die Worte...“

 

Die Erinnerungen reichen zurück ins Jahr 1939, als Mitka fünf oder sechs Jahre alt war. Wie alt er genau ist, wird man nie herausfinden. Warum, das ist Inhalt seiner Geschichte.

Die Autoren haben ein beeindruckende Biografie geschrieben. Es sind immer nur Bruchstücke, die nach und nach zu einem Leben zusammengesetzt werden.

Der Schriftstil passt sich den Genre an. Er ist stellenweise sachlich und genau deshalb besonders berührend.

Nach einer Bombennacht, die Mitka in einem Kinderheim in der Ukraine verbracht hat, verlässt er am Morgen das Haus. Diese Flucht rettet ihm das erste Mal das Leben. Doch er wird von Deutschen aufgegriffen. Auch der Massenerschießung entkommt er. Sein Weg führt ihn durch vier Konzentrationslager bis ins Lager Pfaffenhof.

 

„...Die einzige Erinnerung, die ich habe, sind die an Hunger, Wenn man hungrig ist, vergisst man alles andere...“

 

Dort holt ihn 1942 Gustav Dürr heraus, der seinen Namen und seine Geburtsdaten ändert und den Junge als Kindersklave auf seinem Hof arbeiten lässt. An eine Situation erinnert er sich besonders. Eines Tages hört er eine Stimme, die sagt:

 

„...Am Ende findest du dein Ziel...“

 

Diese Worte sollte Mitka nie vergessen. Nach dem Krieg werden die Amerikaner auf ihn aufmerksam. Er wird aus der Familie geholt und durchläuft mehrere Kinderheime. Erstmals lernt er eine Schule kennen. Doch Schreiben und Lesen wird er nie lernen. Der schwer traumatisierte Junge muss sozialisiert werden. Das aber trifft in der damaligen Zeit für viele zu.

Musik gibt ihm Halt, Filme begeistern ihn. Da keiner weiß, woher Mitka stammt, muss entschieden werden, wo seine Zukunft liegen soll. Er möchte nach Amerika, dass er aber nur aus Filmen kennt. Trotz vieler Widerstände darf er in die USA ausreisen. .

 

„...Der etwa fünfzehnjährige Junge, der an jenem klaren Januarmorgen aus dem Flugzeug stieg, verfügte über ungewöhnliche Kraft, auffallende Attraktivität, schelmischen Humor und Charme...“

 

Doch im fehlt die Reife. Er hat nie gelernt, sein Leben selbst zu strukturieren. Woher auch! Aber er findet Menschen, die ihn sinnbildlich an die Hand nehmen und in ein selbstbestimmtes Leben

führen.

Er nennt sich Tim und verschließt seine Vergangenheit hinter einer hohen Mauer. Er heiratet, wird Vater und Großvater. Dann aber gibt es Probleme in seinem Leben, die die Vergangenheit wieder hochkochen lassen. Erste Anzeichen sind heftige Alpträume. Er muss darüber sprechen trotz aller Verlustängste. Seine Frau, für die das alles neu ist, glaubt ihm und steht zu ihm. Sie nimmt erneut die Fäden in die Hand. Es beginnt eine intensive Suche nach seinen Wurzeln. Eine Reise nach Deutschland folgt. Die ehemaligen Täter weigern sich, Papiere herauszugeben. Hier gab es für mich als Leser einige offene Fragen. Die betreffen insbesondere die Rechte der Opfer gegenüber den Tätern.

Es ist internationalen Privatinitiativen zu verdanken, dass Verwandte väterlicherseits von Mitka gefunden werden. Nicht alle aber sind bereit, ihn kennenzulernen.

Die Geschichte endet mit Mitkas Bar-Mizwa im Jahre 2001. Damit findet er zurück zu seinem jüdischen Glauben.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeichnet ein Schicksal nach, dass die Folge von Antisemitismus und Krieg ist.