Rezension

Bewegende Romanbiografie über Becketts Pariser Zeit

Ein Ire in Paris - Jo Baker

Ein Ire in Paris
von Jo Baker

Über Samuel Beckett wusste ich bisher nur sehr wenig. Das einzige Theaterstück, das ich von ihm gelesen habe, ist "Warten auf Godot". An diesem Buch von Jo Baker reizte mich vor allem der Titel. Weshalb blieb Beckett nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht in seiner sicheren Heimat, sondern kehrte nach Paris zurück, um mit seinen Freunden dem Krieg in Frankreich ins Auge zu blicken?

Offensichtlich fühlte er sich in seinem Elternhaus nutzlos und kreativ blockiert. In Paris konnte er immerhin an der Seite seiner großen Liebe Suzanne in literarischen Kreisen verkehren und sich von seinen Beziehungen zu James Joyce oder Marcel Duchamp inspirieren lassen. Die Tage des unbeschwerten Lebens sind jedoch gezählt. Der Kriegsausbruch zwingt ihn und Suzanne zur Flucht, zunächst nach Vichy, dann nach Arcachon. Ihre physischen und psychischen Leiden während nervenaufreibender Zugfahrten und qualvollen Fußmärschen beschreibt Jo Baker sehr plastisch und schonungslos. An keinem Ort sind die beiden sicher, und die Odyssee setzt sich immer weiter fort. Erst fiebert man mit, wann das Paar endlich in Sicherheit sein wird, später ist man gespannt zu erfahren, wie und wann die schriftstellerische Karriere beginnt. Zudem hat Samuel, der nie namentlich, sondern immer nur in der dritten Person genannt wird, zunehmend unter dem gespannten Verhältnis zu Suzanne zu leiden. 

Die bewegende Romanbiografie vermittelt ein sehr eindrucksvolles Bild des irischen Lyrikers während der Kriegsjahre. Die Bewunderung der Autorin für seine Bereitschaft, größte Opfer zu bringen, um seinen Mitmenschen zu helfen, seinen Willen zu überleben und in der Résistance und beim Wiederaufbau nach dem Krieg mitzuwirken, sind sehr deutlich zu spüren. Das Buch hat nicht nur mein Interesse für Becketts Werke geweckt, sondern wird mir sicher den Zugang und das Verständnis für seine Stücke, Figuren und seine verknappte Sprache erleichtern.