Rezension

Bewerbungsschreiben

Entscheidungen - Hillary Rodham Clinton

Entscheidungen
von Hillary Rodham Clinton

Ich unterstelle, dass Hillary Rodham Clinton Barack Obama als Präsident der Vereinigten Staaten im November 2016 ablösen möchte, nachdem sie ihm 2008 bei den Vorwahlen unterlegen ist. Und vor diesem Hintergrund ist ihre kürzlich erschienene Autobiografie „Entscheidungen“ zum einen als Bewerbungs- und zum anderen als Rechtfertigungsschreiben zu lesen. Denn neben der verklausulierten Darstellung ihres politischen Standpunkts wirbt sie bei ihren zukünftigen Wählern um Verständnis für unliebsame Entscheidungen, die sie während ihrer Amtszeit als amerikanische Außenministerin in den Jahren 2009 bis 2013 als Mitglied der Regierung Obamas vertreten hat.

Was Hillary Clinton auszeichnet, ist der absolute Wille zu Macht und das immense Kalkül, mit dem sie sich für den kommenden Wahlkampf in Position bringt, ohne jedoch zu irgendeinem Zeitpunkt ihre Loyalität zu dem jetzigen Präsidenten in Frage zu stellen. Stand by your man – so etwas mögen die Leute. Meiner Meinung nach wirbt sie mit diesem Buch um Sympathien und sondiert das Terrain, um ihre Taktik entsprechend anzupassen, damit sie nicht wieder kurz vor dem Ziel abgefangen wird.

Sehr gut lesbar und über weite Strecken unterhaltsam, gibt Clinton einen umfassenden zeitgeschichtlichen Überblick und gewährt den Lesern Einblicke in politische Bereiche der Innen- und Außenpolitik, in denen die Vereinigten Staaten Einfluss ausgeübt haben. Dabei hat die Politikerin mit dem Besuch von 112 Ländern und den entsprechenden Staatschefs zwar ein Mammutprogramm absolviert, aber unter dem Strich lesen sich die Beschreibungen dieser Treffen eher wie harmlose Besuche der Verwandtschaft. Von Verhandlungen mit harten Bandagen ist hier wenig zu spüren, und fast scheint es, als ob die Außenministerin lediglich repräsentative Aufgaben erfüllt hätte. „Unbeschreiblich weiblich“ wirkt das für mich über weite Strecken, harmlos, wenn sie von dem Hören auf Herz und Verstand als Ratgeber bei politischen Entscheidungen schreibt oder ihrer Bewunderung von Angela Merkel Ausdruck verleiht. Dazu passt auch ihre Abgrenzung von „Law and Order“ Politikern à la Bush sowie ihr Eintreten für soziale Belange und den Umweltschutz.

Mir ist das alles zu wenig fundiert und konsequent, zu wischi-waschi, aber glücklicherweise muss ich Hillary Clinton ja nicht wählen. Doch ich bin der festen Überzeugung, dass sie das letzte Tabu knacken und aus den Präsidentschaftswahlen als Siegerin hervorgehen und ins Weiße Haus, diesmal nicht nur als First Lady sondern als Amtsinhaberin, zurückkehren wird, denn schlechter als der bisherige Amtsinhaber kann sie es kaum machen.