Rezension

Beziehung zwischen Isländer und Inuit-Frau im Grönland des 15. Jahrhunderts

Die Winterfrau - Vilborg Davídsdóttir

Die Winterfrau
von Vilborg Davídsdóttir

Bewertet mit 4 Sternen

945 besiedelten die Mannschaften von 14 isländischen Schiffen unter Führung Eriks des Roten Grönlands Westküste. Überreste mittelalterlicher Siedlungen bestätigen diese Überlieferung. 800 Jahre später konnten keine Nachkommen der "Bleichen" mehr in Grönland gefunden werden; Hungersnöte oder Piratenübefälle könnten Grund dafür sein.

"Die Winterfrau" spielt Mitte des 15. Jahrhunderts. In Davídsdóttirs historischem Roman treffen Naaja, eine Inuit, die zweimal von ihrem Stamm verstoßen wurde, und Mikjáll aufeinander, ein Isländer aus einer Siedlung an der grönländischen Südspitze, der in den "nördlichen Jagdgründen" von seiner Jagdgruppe getrennt wurde. Isländer und Inuit halten Angehörige des jeweils anderen Volkes allein aufgrund ihres Aussehens nicht für Menschen. Naaja weiß von Mikjálls Leuten nur, das sie behaarte Körper haben und nicht sehr geschickt im Herstellen warmer Kleidung sind. Mikjáll hält zunächst unter dem Einfluss des Christentums Inuit nicht für Menschen, bis er durch Naajas Güte und Fürsorge überwältigt wird.

Inuit konnten in der unwirtlichen Umgebung nur überleben, wenn jeder Jäger, der Jagdglück hatte, seine Beute teilte. In Zeiten des Hungers wurden unnütze Stammesmitglieder, wie Alte und unfruchtbare Frauen, zurückgelassen. Naaja und ihr Vater, als Außenseiter verstoßen, konnten nur deshalb außerhalb eines Stamms eine Weile überleben, weil Naaja zusätzlich zu den Frauenarbeiten (Bearbeitung von Fleisch und Häuten) als geschickte Jägerin zum Lebensunterhalt beitrug. Der Alltag der Inuit-Frauen war bestimmt durch ständige Arbeit; das Leben aller durch strenge Regeln, mit der die Inuit ihre Achtung gegenüber Natur und Jagdbeute ausdrückten. Kurze Zeit lebt Naaja nach kinderloser Ehe mit einem Angakok, einem erfahrenen Schamanen der Inuit zusammen, der ihr den Zugang zu ihrer besonderen Begabung öffnet. Mikjáll findet sie in erbärmlichem Zustand nach dessen Zusammentreffen mit einem Eisbären. Ohne Naajas Pflege und Fertigkeiten hätte Mikjáll den grönländischen Winter nicht überlebt; beide lieben einander. Die Reaktion seiner Jagdgruppe, die gemeinsam in einer von Landsleuten angelegten Jagdhütte überwintert hat, auf Naaja lässt Mikjáll ahnen, zu welchen Problemen seine Beziehung zu Naaja in seiner vom Pfarrer streng geführten isländischen Siedlung führen wird.

Fazit
Vilborg Davídsdóttir macht es ihren Leserinnen leicht, sich beim Lesen ihrer historischen Romane mit deren Heldinnen zu identifizieren. Die Inuit sind einfach und gut, die christlichen Priester verbohrt. Durch Landkarten und ein Nachwort der Autorin lassen sich die Ereignisse den verschiedenen Schauplätzen zeitlich und räumlich gut zuordnen. Besonders ansprechend fand ich den ersten Teil, der Naajas Heranwachsen beschreibt und ihre Außenseiterrolle plausibel herleitet, sowie die vielen Details aus dem Alltag einer Inuit-Frau.