Rezension

Bildgewaltig, aber die Aussage fehlt mir,,,

Durch frühen Morgennebel - Manuel Niedermeier

Durch frühen Morgennebel
von Manuel Niedermeier

Bewertet mit 3.5 Sternen

Die Geschichte:
Der Fotograf Clemens teilt sich auf einem Expeditionsschiff die Schlafkoje mit dem Biologen John. Das Leben an Bord ist alles andere als einfach. In abwechselnden Schichten müssen alle Mitreisenden auf dem Deck Wache halten und die Entwicklung der Eisbildung beobachten. Die Temperaturen in den subarktischen Gebieten sinken schnell, so dass die Crew Gefahr läuft, im Eis stecken zu bleiben.
John wird immerzu von Alpträumen geplagt und schreckt schreiend aus dem Schlaf hoch. Auch Clemens wird dadurch um seine dringendst benötigten Erholungspausen gebracht. Er stellt John zur Rede, doch dieser blockt zunächst alle Fragen ab. Irgendwann beginnt er doch zu erzählen und läßt Clemens an den bizarren Angstträumen teilhaben, deren Ursprung in einem traumatischen Erlebnis kurz vor der Abreise liegt.
In Rückblenden werden die Erlebnisse von John in Berlin erzählt. Wir erfahren, wie er Laura kennenlernt und was der Auslöser seines Traumas ist.

Meine Meinung:
Manuel Niedermeier erzählt in einer so bildgewaltigen Sprache, dass man den schneidenden Wind im Gesicht und die Schneeflocken auf der Haut beinahe spüren kann. Er legt Wert auf Details, lässt seine Charaktere leben und leiden und die Schauplätze realistisch vor unserem inneren Auge entstehen.
Die Geschichte wird hauptsächlich in zwei Handlungssträngen erzählt: die Kapitel wechseln sich ab zwischen dem Leben an Bord und Johns Vergangenheit in Berlin.
Das Buch habe ich in einem Rutsch durchgelesen und fand es durchaus fesselnd. Die Schiffsreise wird realistisch und ausführlich beschrieben, aber auch die Vorgeschichte von John wartet mit vielen Details auf. Mit den Protagonisten konnte ich trotz deren guter Ausarbeitung nicht wirklich mitfühlen, sie bleiben mir etwas fremd und ich fühle mich eher wie ein nüchterner Beobachter. 
Mit dem Schluss hadere ich leider etwas, denn ich bin kein Freund von offenen Enden - und hier blieben mir zu viele Fragen unbeantwortet. Die Kernaussage des Buches erschließt sich mir nicht so wirklich, wobei man natürlich viel hineininterpretieren kann: geht es um den kurzen Moment, der das Leben nachhaltig verändern kann? Oder sind es die Schuldgefühle, die man empfindet, obwohl man eigentlich unschuldig ist? Und wo beginnt eigentlich "Schuld"? Oder steht die Schiffsfahrt durchs immer dichter werdende Eis für die Ausweglosigkeit, in der man sich manchmal im Leben befindet?
Das wird wohl jeder Leser selbst für sich herausfinden müssen...

Fazit:
Ein bildgewaltiger Roman, der gut unterhält und viel Raum für Interpretationen lässt.