Rezension

Bildgewaltiges und ernstes Märchen aus 1001 Nacht

Habibi - Craig Thompson

Habibi
von Craig Thompson

Bewertet mit 4.5 Sternen

Sooooo lange habe ich auf diese Graphic Novel gewartet! Sooooo lange war sie vergriffen. Aber umso größer war die Freude als der Anruf meiner Buchhandlung kam und ich Habibi endlich in Händen hielt. Die Schwierigkeit war dann, dass ich mich nicht entscheiden konnte ob ich lesen oder die Bilder bewundern soll. Dieses Buch ist nämlich für beides prädestiniert. Thompson erzählt immer abwechselnd aus der Vergangenheit und Gegenwart der beiden Hauptcharaktere Zam und Dodola. Das macht neugierig und hält die Spannung hoch. Zwischendurch werden immer wieder Geschichten iliustriert die Dodola erzählt und die meist einen religiösen Hintergrund haben. Das alles zusammen bildet eine wunderbare Mischung und hat mich Habibi in Null Komma Nichts durchlesen lassen.
Und dann die Bilder! Habibi spielt im arabischen Raum und ist dementsprechend gestaltet. Mit vielen Ornamenten, Schnörkeln, Mustern, wunderschönen Frauen und geheimnisvoller Schrift. Man merkt, dass sehr viel Mühe und Arbeit in diesem Buch stecken. Es gibt so viele Details zu entdecken, so viele Bilder zu bewundern. Es gibt einfach so viel zu sehen. Einmal lesen reicht da auf keinen Fall und ich freue mich schon auf das nächste und übernächste Mal!

Thompson ist nie anklagend oder wertend. Das hat mir schon bei Blankets sehr gut gefallen. Auch hier ist das wunderbar. Alles was passiert steht für sich und jeder Leser kann sich sein eigenes Urteil bilden. Schon beim ersten durchblättern viel mir auf, dass es viel nackte Haut zu sehen gibt. Wollte ich böse sein könnte ich behaupten, dass Thompson seine durch Keuschheit und Christentum geprägte Kindheit überkompensiert. Aber das will ich nicht. Weil es passt. Ja, es dreht sich vieles um Sex, Lust und Prostitution aber das ist eben genau der Gegenpol zur Beziehung von Zam und Dodola. Sex ohne Liebe steht Liebe ohne Sex gegenüber. Ein interessanter Gedanke, den Thompson hier verfolgt.

Mir haben Dodolas Geschichten sehr gut gefallen, da sie die Ähnlichkeit zwischen Koran und Bibel sehr schön zeigen und sich dazu wunderbar in die die Story des Buches einbinden. Auch die arabische Schrift, die sich in vielen Formen wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht fand ich toll. Zum einen schafft Thompson so Athmosphäre, zum anderen sind die Erklärungen und Übersetzungen einfach interessant. Allein die Ideen sind fünf Sterne wert: Mal entwickelt sich die Schrift aus Wasser oder einem Fluss, mal fällt sie als Regen, mal sind es Spuren im Sand oder Tücher und Körper die Schriftzeichen formen.

Habibi ist ein wunderbar ernstes Märchen über Liebe, Verlust, Angst und Leid. Bildgewaltig und provokativ aber voller Sehnsucht und Hoffnung. Das ganze Buch ist einfach schön anzusehen und sowohl vom Inhalt, als auch vom Aussehen beeindruckend. Das Warten darauf hat sich definitiv gelohnt.