Rezension

Bitte alles, was in diesem Roman nicht mit Pink Floyd zu tun hat, streichen!

Die Kinder hören Pink Floyd -

Die Kinder hören Pink Floyd
von Alexander Gorkow

Der Journalist Alexander Gorkow schreibt in diesem Roman über sein eigenes 10jähriges Ich, welches in einer Vorstadt Düsseldorfs mit Vater, Mutter und herzkranker 16jähriger Schwester in den 1970er Jahren aufwächst. Der Roman zirkuliert dabei immer wieder um die Verbindung zwischen dem Jungen und der Schwester, welche ihn zum Pink Floyd-Fan macht und mit ihm die Titel und Alben dieser Jahrhundertband analysiert. Aber auch (zu) viele Alltagssituationen der 70er werden aus der Perspektive des kindlichen Hauptprotagonisten geschildert. Zuletzt gehts noch in die Gegenwart zu einem Gespräch mit Roger Waters - wer sich fragt: Der Durchgedrehtere von den beiden noch lebenden Sängern Pink Floyds. Syd Barrett lass' ich (und auch Gorkow) dabei mal gekonnt unter den Tisch fallen - war auch vor Gorkows Pink Floyd-Zeit...

Was finde ich gut an diesem Roman? Alle Passagen, die sich um die Songs und Alben der Band drehen, sowie die Darstellung von Musikrezeption als solcher. Der Journalist Gorkow versteht sich hervorragend darauf, diese Themen auseinanderzunehmen und für die Lesenden leicht verdaulich und verständlich wieder zusammen zu setzen. Es ist ein Genuss in den Liedtexten zu schwelgen und sich die Tonexperimente vorzustellen. Sofort bekommt man dabei Lust, die Floyd-Sammlung wieder aufzulegen - keine Frage. Und trotzdem hat dieses Buch für mich so viele Schwächen, dass ich es ab ungefähr Seite 50 kaum noch ertragen konnte und es am liebsten abgebrochen hätte. Das liegt vornehmlich an der kindlich-hochnaiven Erzählperspektive eines 10jährigen Jungen. Das kann man mal für die ersten Seiten machen, gut, aber doch bitte nicht über das (fast) gesamte Buch hinweg. Was zum Beispiel Hape Kerkeling in seinem "Der Junge muss an die frische Luft" herrlich beherrscht und auch sehr amüsant zu lesen ist, wird im vorliegenden Roman einfach nur zu einer Nervensache. Selten hat mich eine Erzählstimme so abgestoßen. Wenig fand ich dabei witzig oder auch nur leicht amüsant. Wenn Elke Heidenreich von diesem Roman schwärmt und Passagen verkürzt und pointiert zum besten gibt, klingt das viel begeisterungswürdiger als es sich dann tatsächlich liest. Die Pointen verpuffen leider beim Lesen und können nicht zünden. Auch das Flair der 70er versucht Gorkow zwar auf Papier zu bannen, kann dies auch teilweise transportieren, nur nervt es einfach nur noch, wenn mir zum zehnten Mal die Herstellermarke der damaligen Schulbänke präsentiert wird. Vielleicht liegt es am Fachbereich, denn bei der Schilderung der heimischen Musikanlage erschien mir dies interessant, ausgewogen und präzise.

Inhaltlich ist es meines Erachtens außerdem ein Mangel, dass der Erzählstrang um die contergangeschädigte, herzkranke Schwester einfach so fallen gelassen wird. Es gibt am Ende des Buches nur einen kurzen Halbsatz zu ihrem Verbleib. Aufgrund der bedeutsamen Rolle der Schwester für die Prägung des Jungen erscheint dies ihr einfach nicht gerecht zu werden. Neben der erkrankten Schwester scheint es außerdem in diesem Buch vor "Behinderten" und "Gestörten" nur so zu wimmeln. Annähernd jede noch so für den Plot unwichtige Person hat irgendein Defizit - körperlich oder psychisch - was meist mehr als nur erwähnt, sondern ausführlichst besprochen werden muss. Was der Autor damit bezweckt, außer darzulegen, dass wir alle unperfekt sind, bleibt fraglich.

Insgesamt kann ich also leider nicht zum Kauf des Buches raten, wenngleich die Ausgabe mit der Covergestaltung schön anzusehen und in sich stimmig ist. Wer Pink Floyd-Fan ist, braucht das Buch nicht, um sich eine Platte zu schnappen und ihre Genialität zu erkennen. Dafür lohnt es sich nicht, sich durch die gefühlt endlosen 186 Seiten zu kämpfen. Platte auflegen, Augen schließen und genießen. Damit ist die begrenzte Lebenszeit sinnvoller genutzt. Tick-Tack. "Time", ihr wisst schon...