Bittere Realität
Bewertet mit 4 Sternen
Man kann es kaum glauben, was die Journalistin Christiane Kohl hier recherchiert hat. Durch Zufall stieß sie auf Gästebücher aus dem Zeugenhaus, in dem während der Nürnberger Prozesse 1945 gegen die führenden Köpfe der Nazidiktatur sowohl Zeugen als auch Beschuldigte untergebracht waren.
Unter der geschickten Regie der Gräfin Kálnoky mussten hier Menschen zusammenleben, die viel Leid erlebt hatten, zusammen mit den Tätern und ihren Angehörigen. So war z.B. Hitlers Leibfotograf Heinrich Hoffmann über lange Zeit hier einquartiert, denn seine Fotos waren wichtige Belege für die Taten der Nazis, aber auch KZ-Überlebende wie der Publizist Eugen Kogon wurden in dem haus untergebracht. Während die Täter oft großspurig und ohne jede Spur von Reue auftraten, ja, sich sogar eher als "Opfer" darstellten, waren viele der Überlebenden aus den Lagern veränstigt und schockiert von den Umständen, unter denen sie hier über Tage, Wochen oder gar Monate leben mussten.
Christiane Kohl hat sehr gut recherchiert und mit vielen der Zeitzeugen gesprochen. So bekommt man auch als Leser einen tiefen Einblick in die Umstände bei den Nürnberger Prozessen.