Rezension

Britischer zynischer Humor

Der Lügner - Stephen Fry

Der Lügner
von Stephen Fry

Bewertet mit 5 Sternen

Der fünfzehnjährige Schüler Adrian Healey ist ein sympathischer Taugenichts, der sich am liebsten selbst in Schwierigkeiten bringt. Er mag Bücher und sexuelle Perversionen und hegt einen aufrichtigen Haß gegen jede Art von Wahrheit. Diese Abneigung wird ihm zum Verhängnis, als er mit dem Cambridge-Professor Trefusis in eine Kriminalaffäre gerät, die ihren Anfang mit dem Mord an einem ungarischen Geiger nimmt und sich rasch zu einer haarsträubenden Verfolgungsjagd steigert.

Verworren haben einige hier den Plot genannt, auch die Neigung zur sexuellen Unverblümtheit, oder zumindest die mangelnde Zurückhaltung auf diesem Gebiet, wurden hier angesprochen. Beides kann und soll nicht weggeredet werden, aber man muss es im richtigen Kontext sehen. Die Verworrenheit und Irritation, sofern sie sich beim Leser einstellt, hat ihre Gründe nicht unbedingt in der Auffassungsgabe des Lesers (der das dem Autor sehr übelnehmen würde!), sondern manchmal auch, weil ein Puzzleteil noch nachgereicht wird oder die Irritation einen mit dem Protagonisten auf eine Stufe stellen soll (was man vor Augen behalten sollte); sicherlich kann man auch eine Lüge oder Doppelbödigkeit, die das ganze wieder in den Rahmen rücken würde, übersehen haben, aber bei allem Hin und Her ist der Roman doch auf gewisse Weise streng linear - man erfährt alles zur rechten Zeit.

Die sexuellen Freizügigkeiten wiederum sind ganz klar ein Merkmal dieses Romans, was in ihm von vorneherein verankert ist und einem roten Faden gleich (ich meine nicht etwa einen provokativen oder der bloßen Unterhaltung dienenden roten Faden, sondern einen thematischen) das Buch begleitet. Diese (gar nicht mal so exzentrischen oder schlimmen, sondern vielmehr unangenehm wahrscheinlichen "Exzesse") tragen zweierlei wichtiges zu dem Buch bei: Dimension und Spiel. Letzteres wird man vielleicht nachvollziehen können, wenn man das Buch gelesen hat und alles Aspekte kennt, die mit Lügen und Phantasie zu tun haben; ersteres ist eine Tatsache. Sex verleiht einem Roman eine zusätzliche Dimension (genau wie Liebe oder ein anderes, weniger universelles Motiv) und Fry legte seinen Roman, ob nun bewusst oder unbewusst, in sehr vielen Dimensionen an.

Diese "Dimensionalität" macht den Roman manchmal schwierig, an einigen Stellen fast schon Absurd, an manchen aber auch sehr authentisch. Bei solch einer Diskrepanz sollte man nicht von einem Meisterwerk sprechen, aber es ist schwer, das nicht zu tun, was einmal an der Einzigartigkeit der Entwicklung des Romans liegt, als auch an der einfachen Tatsache, daß Fry sehr gut schreiben kann (diese Tatsache hat es offensichtlich unbeschadet durch die Übersetzung geschafft). Er weiß ganz genau wann er wie schreiben muss und welche Atmosphären Worte erzeugen - für einen Roman immer ein Pluspunkt, der ihn fast immer zu einem lesenswerten Buch macht.

Dies war mein erster Roman von Fry, aber sich nicht mein letzter.