Rezension

Bunt, vielfältig, abseits der Norm und doch die gleichen Probleme

Fast schon bühnenreif - Lisa Rosinsky

Fast schon bühnenreif
von Lisa Rosinsky

Bewertet mit 5 Sternen

Eine Hippiefamilie gerät aus den Fugen – aufrichtig und emotional, so wunderbar

Allgemein:

Lisa Rosinskys erster Jugendroman „Fast schon bühnenreif“ erschien Anfang 2019 beim Magellan Verlag und erzählt die Geschichte der 15-jährigen Cadie und ihrer Familie, die Dank ihrer Hippievergangenheit nicht ganz ins Bild der heutigen Gesellschaft passt. Aber Cadie ist das egal, solange ihr Dad an ihrer Seite ist. Er ist ihr ein und alles. Von daher interessiert sie sich kaum für ihre überarbeitete Mutter oder ihrem Musikgenie von Bruder. Bis zum Abend als der Anruf kam und sich alles veränderte. Ihr Dad hat noch eine Tochter, von einer anderen Frau und keiner wusste davon, nicht mal er selbst. Als Elizabeth von jetzt auf gleich einzieht, bricht für Cadie eine Welt zusammen und das gerade jetzt, wo doch das Theaterstück an der Schule ihre volle Aufmerksamkeit benötigt.

Mein Bild:

„Fast schon bühnenreif“ ist mein 1. Buch aus dem Magellan Verlag. Ich muss sagen, die Cover sind generell mehr als überzeugend. Als hätte man eine neue knallbunte Süßigkeit in der Hand, bei der man noch nicht weiß, ob sie einem schmecken wird. So ging es mir zumindest als ich dieses farbenfrohe, zu einem Theater passende und mit unterschiedlich eingeprägten Lettern kreierte Buch aufschlug.

Ich hatte keine Ahnung, was für eine Geschichte wirklich auf mich zukam. Ich erwartete eine amerikanische, moderne Teenievariante von Cinderella. Schließlich bekommt die Protagonistin Cadie auf einmal eine Halbschwester vor die Nase gesetzt. Doch es war viel, viel mehr und ich weiß nicht, ob ich meinen Eindruck die passenden Worte abgewinnen kann. Ich fühlte mich nicht nur unterhalten, das Buch glänzte durch seine Diversität, mehreren Handlungssträngen, tiefgehenden Emotionen und Humor. Am besten ich geh dazu ins Detail.

Ich mochte die 15-jährige Protagonistin Cadie von Anfang an. Ihre wirbelwindartige, melodramatische und doch so neugierige Ich-Perspektive führte mich durch die ganze Geschichte. Sie neigt zu tiefen Gefühlen, versucht sie in vielen Situationen aber herunter zu schlucken und bleibt vernünftig. Cadie offenbart sich nur denjenigen Menschen, denen sie vertraut und die ihr viel bedeuten. Ich verstand sie soo gut. Trotzdem ist sie ein Teenager, das darf man nicht vergessen und wer einmal verletzt wird, spielt nicht immer fair.

So auch Cadie, als der Mensch, den sie am meisten liebt, sie am meisten enttäuscht. Ihr Dad hat noch eine Tochter. Ihr Dad, der seine „Cadigste“ vergöttert. Auf die Vater-Tochter-Beziehung wird eingangs sehr eingegangen und dieses Zusammenspiel zwischen den Beiden ist einfach ein Traum. Absolut einzigartig und witzig, noch nie von mir gelesen. Und dann kommt der Moment, der die vierköpfige Familie komplett erschüttert. Ich musste einfach mitfühlen. Der Umgang mit dieser Situation spielt eine wesentliche Rolle innerhalb des Plots. Wut, Zweifel und das Gefühl, sich an etwas gewöhnen zu müssen, das man nicht wollte und es nie wieder so wird wie es mal war.

Natürlich gibt es einige Bücher, die solche Familiendramen ins Auge fassen. Wo ist denn da das Besondere? Die Familie selbst ist es. Eine amerikanische Hippiefamilie, deren 2 Kinder nach Nationalparks benannt wurden, die sich als atheistische Juden sehen und überhaupt jeder seinen Faible ausleben kann, wie er es gern möchte. Die Figuren sind besonders, unerwartet, passen eigentlich nicht zusammen, ergänzen sich aber perfekt.

Vielfältigkeit und Offenheit zeichnet diese Buch aus! Die beste Freundin, die mit einer lebensfrohen Oma und Mutter zusammenlebt. Der Schwarm, der einen orientalischen Touch hat. Die Mutter, die auf spanisch flucht. Die Klassenkameradin, die ihre Liebe zu Frauen offen auslebt. Künstlerische und philosophische Aspekte, die ernst genommen werden. Es gibt zig Situationen, die ein offenes Miteinander und Akzeptanz zeigen. Absolut klasse. Cadie zeigte mir das und selbst, wenn sie Skepsis an den Tag legte, vor allem gegenüber ihrer neuen Halbschwester Elizabeth, was hat sie getan? Sie versuchte es zu verstehen und egal, wie verschieden die Menschen sind, alle haben wir doch die gleichen alltäglichen Probleme.

Die Autorin baute diese Aspekte neben der Familiengeschichte noch in Cadies Schulleben ein. Besonders in die Vorbereitung des Theaterstücks „Viel Lärm um Nichts“. Es ist eben auch ein Selbstfindungstrip, den alle Beteiligten durchmachen, indem man sich der Herausforderung stellt und ehrlich zu sich selbst und gegenüber anderen ist. Irgendwie wurden Klischees hier einfach überraschend umgekehrt: Wenn Eltern sich beispielsweise wünschen, dass ihr Kind ein Künstler wird, das Kind aber etwas Solides mit seiner Zukunft machen möchte. Ich bin geflasht von dieser Geschichte und wünsche mir mehr davon. Ich glaube, jeder findet sich hier wieder, findet einen Lieblingscharakter oder einen Lebensabschnitt, der ihm vertraut vorkommt.

Fazit: Ein Jugendbuch, dass für Vielfältigkeit, einen Schuss Lebensfreude und dem Erfüllen der eigenen Träume steht. Nicht nur für Leser ab 13 Jahren, sondern auch für Erwachsene etwas.