Rezension

Cara Massiminia

Der ehrgeizige Mr. Duckworth
von Tim Parks

Bewertet mit 3.5 Sternen

Tim Parks’ Krimitrilogie: Der Aufstieg eines skrupellosen Hochstaplers in Verona.
Morris Duckworth ist von seiner eigenen Genialität und moralischen Untadeligkeit felsenfest überzeugt. Wenn er also ein Durchschnittsleben auf unterstem ökonomischem Niveau führen muss, sind andere schuld.
Um reich zu werden und in die gute Gesellschaft Veronas aufzusteigen, schreckt er vor nichts zurück. Erpressung und Entführung, Mord und Totschlag sind manchmal einfach unvermeidlich.
Morris Duckworth kann – in aller Unschuld – einfach nicht verstehen, warum andere Leute reich sind und er nicht.
Massimina Trevisan, die reich ist, versteht – in aller Unschuld – nicht, warum sie Morris nicht auch noch haben kann.
In einem heißen italienischen Sommer brechen die beiden zu einer Reise auf, bei der alle Unschuld auf der Strecke bleibt.
 (Verlagsseite)

Parks hat Patricia Highsmith ausgiebig studiert – dieser Eindruck drängt sich nach der Lektüre demjenigen auf, der Tom Ripley kennt. Die Parallelen entdeckt man weniger in der Handlung, als in der Person des Protagonisten.
Auch der Engländer Morris kommt aus einem zerbrochenen Elternhaus, die Mutter starb früh, der gewalttätige Vater trank und verspottete seinen „Weichei-Sohn“. Morris flüchtet nach Verona (Parks italienische Heimat) und hält sich als Aushilfs- und Privatlehrer für die Nachkommen reicher und adliger Familien über Wasser, die er in seiner Muttersprache manchmal mehr schlecht als recht unterrichtet.

Von seinen intellektuellen und menschlichen Qualitäten überzeugt fühlte Morris sich vom Schicksal benachteiligt. In Wahrheit, so glaubt er, stünden ihm Reichtum, Ansehen und eine geistig anspruchsvolle Arbeit zu. Dass er sein Studium in England seinerzeit hinwerfen musste, war natürlich die Schuld anderer.
Er lebt in dem ständigen Gefühl eines „Wenn …, dann wäre ich!“

Massimina, Tochter aus reichem Haus, verliebt sich in ihn, doch die Familie hat - begreiflich - etwas gegen die Beziehung und untersagt dem Mädchen den Umgang. Dass sie von Zuhause wegläuft, macht Morris sich zunutze und inszeniert die Flucht als Entführung mit Lösegeldforderung. Gemeinsam brennen sie durch, verändern Massiminas Aussehen und durchlaufen mehrere Städte. Morris verstrickt sich darin, Massimina ständig zu bewachen, damit sie keinen Kontakt zur Mutter aufnimmt, die Arbeiten der Polizei quasi als Helfer zu begleiten und sich der Familie als sorgenvoller Freund zur Seite zu stellen.
Einige Leichen hinterlässt er auf seinem Weg zum großen Geld.
Auch wenn sich gelegentlich Skrupel melden: Immer hat Morris die Entschuldigung zur Hand, dass er sich nur nimmt, was ihm zusteht, und dass er angeblich keine andere Wahl hat.

Sympathisch ist er sicher nicht, andererseits bangt man mit und um ihn, fiebert mit, ob er mit seinen dilettantischen Verbrechen durchkommt. Oder ob die Gerechtigkeit am Ende doch zuschlägt und ihn bezwingt.
Die Polizei agiert in ihrer Ermittlung ebenso stümperhaft wie Morris in seinen Verbrechen, auch hier eine Parallele zu Highsmith. Trotz Zeugen, Fingerabdrücken und Phantombild läuft die Nachforschung ins Leere.

1982 verfasste Parks nach eigenen Angaben diesen Krimi als letzten in einer Reihe unveröffentlichter Manuskripte. Der ewig unverstandene Morris besitzt Züge des ewig unverstandenen Schriftstellers Parks, und natürlich ist auch er ein Engländer in Verona.
Erst 1990 wurde der Krimi gedruckt, zunächst unter Pseudonym und in einem anderen Verlag als die bisherigen Romane, bis Parks sich aus dem Vertrag freikaufte. Acht Jahre nach dem ersten schrieb er den zweiten Band und erst 2011 den dritten. Die Schreibarbeit war für ihn ein Vergnügen, und diese Leichtigkeit, die dem Spiel mit den kriminellen Möglichkeiten entspringt, spürt man beim Lesen.

Ein Plagiat verfasst zu haben kann man Parks nicht unbedingt vorwerfen, dass er sich einige Ideen „ausgeliehen“ hat, schon. Vor allem das Leseerlebnis von Parks und Highsmiths Romanen ist gleiche: Der Sog der Spannung und die Ambivalenz gegenüber dem Protagonisten.

Band 2 und 3 erscheinen im Juli, bzw. September in deutscher Übersetzung. Man darf gespannt sein.