Rezension

Das allgegenwärtige Böse

Das Handwerk des Teufels - Donald Ray Pollock

Das Handwerk des Teufels
von Donald Ray Pollock

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ohio, 1945: Der Kriegsveteran Willard Russell kehrt aus dem Einsatz zurück und verliebt sich in die junge Kellnerin Charlotte. Die beiden heiraten und bekommen einen Sohn. Willard, der nach den Kriegserlebnissen schwer traumatisiert ist, findet sein Heil in diesem Familienglück aber auch in seinem Gottglauben. Im Wald errichtet er eine Art offenes »Gotteshaus« nur für sich und seinen Sohn Arvin. Dieser fügt sich dem Willen seines Vaters, steigert sich aber im Gegensatz zu ihm nicht in eine überbordende Frömmigkeit hinein. Und dann schlägt das Schicksal erbarmungslos zu: Charlotte erkrankt unheilbar an Krebs. Willard ist verzweifelt, glaubt aber fest daran, dass seine Frau von Gott gerettet wird, wenn er und Arvin nur genug beten. Als das nicht reicht, bringt er Blutopfer dar, zunächst nur überfahrene Tiere, dann Streuner. Das Wunder bleibt aus.
In den Folgejahren wächst Arvin bei seiner Großmutter in Coal Creek, West Virginia auf. Gemeinsam mit deren Ziehtochter Leonora. Deren Mutter wird vermisst, der Vater, ein fanatischer Wanderprediger, ist seither spurlos verschwunden. Das Mädchen ist gottesfürchtig und gutgläubig, was vom neuen Gemeindepfarrer böswillig ausgenutzt wird. Zu spät erkennt Arvin, in welcher Not sich seine Stiefschwester befindet und beschließt, Rache an dem Pfarrer zu üben. Dann flieht er zurück an den Ort seiner Kindheit und unterwegs begegnet er erneut dem Bösen.

Donald Ray Pollock wurde selbst im Jahre 1954 in Knockemstiff, Ohio geboren. Ihm gelingt es wunderbar, den Zeitgeist der 1950/1960er in seinem hardboiled Roman einzufangen. Das Leben und der Glaube der einfachen Leute auf dem Land bildet den Hintergrund seiner Geschichte. Junge Männer, die aus dem Krieg kommen, nach Arbeit suchen und ihre Traumata weiter mit sich herumschleppen. Religiöser Wahn, Knochenjobs und wenig Bildung prägen nicht selten die Menschen der Region.

Gekonnt verwebt der Autor drei Handlungsstränge miteinander, erzählt sie zunächst zeitlich versetzt und lässt sie am Ende zusammenlaufen. Die Wege der Figuren kreuzen sich auf die ein oder andere Art und es ist fast prophetisch wie sie es tun. Pollock schafft von Anfang an eine düstere Atmosphäre, die Figuren sind allesamt tragisch, die Geschichte verzweifelt. Und doch ist man von der ersten Seite an gefesselt, taucht tief hinein und gerät in einen Strudel der Spannung, dem man nicht entrinnen kann.

Seine Charaktere zeichnet Pollock grandios. Sie alle sind authentisch, auch wenn einige von ihnen überspitzt dargestellt werden und keiner frei von Schuld ist. Selbst Arvin, mit dem man sympathisiert, kann kaltblütig und impulsiv sein. Für mich ein gelungenes Stilmittel, denn man kommt einfach nicht umhin, sich zu fragen, ob man der eigenen Vergangenheit wirklich jemals entfliehen kann. Sie ist immer allgegenwärtig hinter all den Masken – genau wie das Böse.