Rezension

Das Buch kriegt mich nicht

Die Schopenhauer-Kur - Irvin D. Yalom

Die Schopenhauer-Kur
von Irvin D. Yalom

Bewertet mit 3 Sternen

Zu amerikanisch, zu langatmig, zu wenig authentisch

Ich habe zu der Schopenhauer-Kur gegriffen, weil mich Yaloms soeben erschienener Roman 'Unzertrennlich. Über den Tod und das Leben (erschienen 2023) sehr berührt hat. Yalom bezeichnet die Schopenhauer-Kur in seiner Danksagung als 'Mischung aus Roman, Psychobiographie und Psychotherapie-Pädagogik' (433).

Julius Hertzfeld (65) Psychotherapeut mit einer Todesdiagnose (Hautkrebs) ('der Tod auf der Bühne seines Lebens' (11)), Millionär ,verlor seine Ehefrau Miriam zehn Jahre zuvor bei einem Autounfall. Das erfährt der Leser aber erst auf S. 120. Julius Tochter Evelyn ist Professorin für klassische Literatur, sein Sohn Larry forscht neurobiologisch.

Julius liebt es, Therapeut zu sein (=autobiographische Züge) und beabsichtigt – sein letztes Jahr auf der Warteliste des Todes so - frei nach Nietzsche – leben, wie zu vor. Er stöbert in alten Patientenakten, um herauszufinden, ob sein Tun für seine Patienten zielführend, sinnhaft war. So findet er auch die Akte von Philip Slate, den er 26jährig 1980 wegen dessen Sexsucht erfolglos therapierte und drei Jahre lang als unsympathisch aber als intellektuell reizvoll empfand. Julius möchte wissen, was aus ihm geworden ist, wie es ihm heute geht. So treffen sie sich und Philip schlägt einen Deal vor, 200 Supervision-Stunden bei Julius, im Gegenzug lehrt er ihn Schopenhauer. Julius hält Philip für zu unreif, zu a-sozial, um Therapeut zu werden und schlägt zunächst eine gemeinsame Gruppentherapie vor, Julius als Therapeut, Philip als Gruppenmitglied. Gesagt, getan. Im Rahmen der Gruppentherapie wird Julius zu seinem eigenen Therapeuten.

Parallel zu dieser Geschichte, wird quasi in jedem zweiten Kapitel das Leben und die Philosophie Schopenhauers eingeflochten, eigentlich der erste Philosoph, der asiatisches Gedankengut in die abendländische Philosophie importierte (137). Das gefällt mir persönlich gut, hätte ich andernfalls während der Lektüre intensiv über Schopenhauer recherchiert.

Positiv an diesem Roman finde ich überdies, dass der Leser sogar in die Meditation und das bewusste Atmen (Anapanasati/179) eingeführt wird, sowie in die Gruppentherapie. Allerdings nimmt die Gruppentherapie einen so großen Raum ein, dass es manchmal langatmig, too much wird. Zudem geht es mir persönlich auch viel zu sehr um Sexualität, nahezu ständig 'Ich habe seit jeher einen Steifen, wenn ich sie sehe (...)'(376) und '(…) dass ich, um mit diesem Zombie mithalten zu können, alle Männer in der Gruppe f....n muss (...)'(379).

Humor kommt auch vor. Die Sprache ist locker und flockig, umgangssprachlich bis fäkal, der Schreibstil mutet amerikanisch an.

Insgesamt würde ich dem Roman drei Sterne geben wegen o.g. Positiven, vieles stört allerdings. Wie ein guter, alter Wein scheint Yalom mit den Jahren besser geworden zu sein. Die Schopenhauer-Kur erschien 2006, das eingangs zitierte Werk aus diesem Jahr kann ich nur wärmstens empfehlen, die Schopenhauer-Kur nicht. Es ist ein Buch, das ich nicht behalten möchte, und das heißt schon etwas bei mir, es wandert in den Bücherschrank.