Rezension

Eine gelungene Mischung aus Roman, Psychobiografie und Psychotherapie-Pädagogik

Die Schopenhauer-Kur - Irvin D. Yalom

Die Schopenhauer-Kur
von Irvin D. Yalom

Bewertet mit 5 Sternen

Julius Hertzfeld, Psychoanalytiker und Gruppentherapeut, bekommt die Diagnose eines Melanoms – ihm wird vermutlich noch ein gutes Jahr zu leben bleiben. Er zieht Bilanz und erinnert sich an seinen Patienten Philip Slate – seinen größten Misserfolg. Um zu sehen, ob er diesem nicht doch ein bisschen helfen konnte, nimmt er Kontakt zu ihm auf. Philip, zur Zeit seiner Therapie bei Julius sexsüchtig, hat sich selbst geheilt: durch die Schriften Schopenhauers. Er hat sein Leben geändert und pflegt jetzt den kontemplativen Umgang mit erhabenen Geistern (Denkern).

Yalom bezeichnet sein Buch in der Danksagung als eine seltsame »Mischung aus Roman, Psychobiografie und Psychotherapie-Pädagogik« (S. 433). Ich finde diese Mischung sehr gelungen: Das Buch ist zum Teil eine psychobiografische Skizze des letztlich lebensuntüchtigen (nicht zum Leben fähigen) Philosophen Schopenhauer; dann ist es ein Entwicklungsroman, bezogen auf Schopenhauers modernen Wiedergänger Philip Slate, dessen kontemplative Sicherheit in einer Therapiegruppe kräftig durcheinandergeschüttelt wird. Es zeigt die Arbeit einer Therapiegruppe verschiedener Frauen und Männer und wie diese sich aneinander entwickeln. Und es beschreibt das Leben des Therapeuten, der – vor die Frage gestellt, wie er sein letztes Jahr nutzen will – antwortet: mit dem, was mir am meisten Freude macht, der Arbeit mit Menschen. Die Schicksale der dargestellten Personen berühren, und es zeigt sich: Der Unsinn und die Fehler, die im Leben geschehen, sprechen kein endgültiges negatives Urteil – entscheidend ist der Versuch, mit anderen und deren Unterstützung über das Geschehene hinauszuwachsen.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 05. März 2015 um 03:57

Selbstheilung mit der Philosophie eines Lebensuntüchtigen - hm, hm. Aber gut dargestellt wahrscheinlich, die Idee ist wenigstens nicht abgegriffen, das kann man wahrlich nicht sagen ...

Steve Kaminski kommentierte am 05. März 2015 um 08:38

Selbstheilung in Bezug auf ein Problem - aber in Bezug auf das Leben insgesamt funktioniert es nicht. Das will der Autor, glaube ich, auch zeigen.