Rezension

Das Leben bei Scientology

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht - Jenna Miscavige Hill, Lisa Pulitzer

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht
von Jenna Miscavige Hill Lisa Pulitzer

Bewertet mit 5 Sternen

Das Buch hat mich von Anfang bis Ende erschüttert. Es ist unfassbar. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, so unglaublich ist das, was Jenna Miscavige Hill erlebt hat.
Jenna wächst von Ihrer Kindheit an bei Scientology und somit unter dem Einfluss von Scientology auf.  ihre Eltern sieht sie selten bzw. im Laufe ihrer Kindheit immer weniger. Aber das entspräche ja auch nicht dem "Glauben" von Scientology. Schließlich ist jeder ein wiedergeborenes Individuum. Hierzu werdet ihr beim Lesen einige fragwürdige Informationen erhalten..
Die Verhältnisse, in denen Jenna aufwächst, erinnern mich eher an eine Besserungsanstalt bzw. ein Militärcamp - es gibt täglich strikte Pläne und so gut wie keine Freizeit. Dafür eigentümliche Lektionen wie in der Stasi. Und es gibt eine gehörige Portion Gehorsam, Schikane, Kinderarbeit, Widersprüche, Willkür und Manipulation. Und das Beste ist: das gibt es alles prinzipiell ein Leben lang. Jenna und die anderen Kinder auf der "Ranch", werden zur Scientology-Elite hingezüchtet.
Ich kann gar kein passendes Wort dazu finden, was die Eltern ihrer Tochter damit angetan haben, dass sie sich Scientology angeschlossen haben und somit die Kindheit ihrer Tochter und der Geschwister ruiniert haben.
Die Kindheit ist also schon mal abgehakt und ein totaler Reinfall.
Im Laufe ihrer Jugend wird die Situation aber nicht besser. Die Schilderungen zu den Unterkünften und den Lern- und Arbeitsbedingungen bleiben menschenunwürdig. Ich muss mich redlich zusammenreißen nicht zu spoilern..
Ich stelle mir das geschilderte Leben ein bisschen so vor wie ein etwas privilegierteres Leben in Nordkorea. Es gibt Straflager, Entführungen und Trennung von Familienmitgliedern und Freunden. Dazu gibt es immer mehr Gehirnwäsche und Lügen und Manipulation. Die ständig wechselnden Machtverhältnisse unter den Scientologen erinnern mich an das Stanford-Prison-Experiment. Wer etwas Macht erhält, wird auf Befehl oder auch ohne Befehl grausam handeln. Egal, ob es sich dabei vor einem Tag noch um die beste Freundin gehandelt hat. 
Ich habe mich unzählbar oft gefragt, warum Jenna Scientology nicht einfach früher verlassen hat. Hierbei muss man allerdings sagen, dass es extrem schwer sein muss, solch einen Schritt zu wagen. Sie kennt von Kindheit an ja nur dieses Leben. Ein Leben unter den "minderbemittelten Nicht-Scientologen" kann nicht besser sein. Zumal sie ja denkt, dass sie einem höheren Wohl dient und die Welt rettet.
Abgesehen davon ist es gar nicht so einfach Scientology zu verlassen, was das Ende des Buchs eindrucksvoll wiederspiegelt.
So kommt es im Leben von Jenna immer wieder dazu, dass sich alles wiederholt. Das ist grundsätzlich nervig, in diesem Fall aber nicht. Als Leser sieht man, dass alles in einer begrenzten Dauerschleife geschieht und es kein Entkommen aus diesem Hamsterrad zu geben scheint.
Zwei interessante Aspekte gibt es neben den menschenverachtenden Lebensbedinungen noch.
In alternativen Glaubensgemeinschaften oder Sekten spielt Geld ein zentrales Thema. In dem Buch ist davon abgesehen von der Kinderarbeit und den ausbeuterischen Löhnen der "Angestellten" lange Zeit nicht viel zu lesen. Aber nach und nach erhält Jenna mehr Einblick in das Konstrukt Scientology. Entsprechend bildet sich auch Stück für Stück eine eigene Meinung. Wir als Leser erfahren entsprechend mehr über innere Zusammenhänge, so auch zum Thema "Finanzen". Öffentliche Scientologen mit eigenem Einkommen zahlen erhebliche Summen für Ihre Kurse. Spenden sind gerne gesehen und beschleunigen den Weg auf der spirituellen "Brücke". Komisch. 
Mein Lieblings-Beispiel für die Ausbeutung der Angestellten ist, dass sie die Bücher und Neuauflagen von L. Ron Hubbard kaufen mussten. Soweit so schlimm. Aber ein Exemplar kostete so viel, wie zwei Monatslöhne.. Immerhin wurden so die Verkaufszahlen etwas gepusht.
Ein anderes zentrales und interessantes Thema ist die Außendarstellung. Scientology macht scheinbar alles für gute PR. Dass bekannte Persönlichkeiten wie Hollywoodstars keine schlechten Werbefiguren sind, sollte klar sein. Was Scientology sich alles einfallen lässt um solche Personen zu ködern und was Scientology alles tut um negative Werbung und Proteste abzuwehren wird ebenfalls geschildert. Und es ist sehr fragwürdig.
Fazit:
Ohne Worte.
Das Buch zeigt, welche Gefahren von Sekten bzw. dubiosen Glaubensgemeinschaften ausgehen. Wenn das Buch nicht so dick wäre, müsste es eigentlich in Schulen gelesen werden.