Rezension

interessanter Einblick in menschenverachtende Abgründe

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht - Jenna Miscavige Hill, Lisa Pulitzer

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht
von Jenna Miscavige Hill Lisa Pulitzer

Bewertet mit 5 Sternen

Man hört ja viel von der Gehirnwäsche der Scientotlogen und wie Kinder von klein auf gedrillt werden, von diesen seltsamen Auditings und wie Andersdenkende oder Kritiker verfolgt und bedroht werden. Hier schildert die Nichte des obersten Scientotlogenführers ihre Kindheit und wie sie als Erwachsene Zweifel bekommt, die sich so verstärken, dass sie schließlich so wütend über all die Schikanen und Ungerechtigkeiten ist, dass sie den engsten Kreis der Scientologen verlässt. Bis sie sich ganz lösen kann dauert dann noch länger. Schon als Kind muß sie schwere körperliche Arbeit verrichten, denn die Kinder ( die Autorin ist 7 zu dem Zeitpunkt) werden von den Eltern getrennt und kommen in eine Art Bootcamp, wo sie ihre Baracken erstmal selber bauen müssen.  Neben Unterricht über die Lehren vom Scientologygründer Hubbart und Lesen und Schreiben, stehen stundenlange Pflichten auf dem Programm wie Klos putzen, Böden schrubben usw. und Beichten und Selbstkritik, wo jede kleinst Verfehlung, jeder böse Gedanke, jede winzige Nachlässigkeit angeprangert wird und die Kinder die nächtelang durch bestraft und gedemütigt werden. Man wird z.b. in seinem "Ethik.Status" zurückgestuft, was Konsequenzen für einen selbst, aber auch für die ganze Gruppe hat, sodass sichergestellt ist, dass alle anderen Kinder sauer auf einen sind. Verfehlungen können ein kleines Loch in der Kleidung sein, eine unordentliche Uniform, zu spät kommen oder dass die Schuhe nicht ausreichend poliert waren oder das Bettzeug einen Zentimeter von der Vorschrift abwich, aber auch, wie etwas nicht petzen, was sie beobachtet haben usw. Strafen sind z.B. auf dem Fußboden essen oder hungern müssen, öffentliche Demütigungen, die Nächte lang durcharbeiten, körperliche Züchtigungen etc. Und ich bin immer noch bei den kleinen Kindern. Auch hat jeder zusätzlich zu diesen üblichen Pflichten eigene Aufgaben. Dann gab es noch Arbeitseinsätze, die ebenfalls zum Alltag gehörten, wie Steine aus dem eiskalten Fluß zu holen. Alle Arbeiten mußten den ganzen Tag über im Laufschritt erledigt werden. Die körperlichen Schäden, die die Kinder bei diesen Arbeiten davon trugen, wurden nicht behandelt, denn die Scientologen waren der Meinung, dass der Geist über die Materie herrsche und daher auf Schmerzen oder ein gebrochenes Knie keine Rücksicht genommen werden muß. 

So gedrillt und wie ein Lagerhäftling bzw. Zwangsarbeiter behandelt und gleichzeitig indoktriniert, wurden die Kinder zu linientreuen Scientologen ohne eigene Meinung und eigenen Willen herangezogen. Den höher gestellten Scientologen wurde es verboten, Kinder zu bekommen. Aber die, die nun mal schon da waren wurden in dieses Lager gesteckt. 

Am Anfang des Buches steht kurz umrissen, wie es zur Gründung der Scientology kam und was für Lehren und Dogmen Hubbart verkündet hat und bißchen was über die Stufen und worum es überhaupt geht. Haarsträubend abwegig und so bizarr, das man gar nicht glauben kann, dass das jemand ernst nimmt. Als er stirbt, heißt es auch nicht, er sei tot, sondern er habe "sich seines Körpers entledigt, da dieser ein Hindernis für seine Arbeit sei". 

Das Buch ist trotz seines reißerischen Titels authentisch und sachlich geschrieben. Die Autorin schildert ihre Erlebnisse ohne große Emotionen, auch wenn sie (zunehmend gegen Ende des Buches) schreibt, sie sei z.B. wütend gewesen. Da Emotionen bei den Scientologen unerwünscht sind (es folgen Strafen, wenn man zeigt, dass man Angst hat oder traurig ist, dass man die Eltern oder Freunde nicht wiedersieht oder von seinem Freund oder Ehemann getrennt wird), und man muß in stundenlangen Sitzungen, in denen immer wieder die gleichen Fragen gestellt werden, kundtun, was man in seinen vorherigen Leben verbrochen hat, da man im jetzigen Leben diesen Fehler (ein Gefühl zu haben /zu zeigen) begeht. So aufgewachsen, verlernt man natürlich, Gefühle wahrzunehmen und da, wo der Leser entsetzt ist, berichtet die Autorin ganz neutral, wie ihr Alltag aussah.

Ich fand das Buch sehr aufschlußreich und interessant und ich bin froh, dass sich die Autorin befreien konnte und den Mut aufgebracht hat, an die Öffentlichkeit zu gehen. Klare Leseempfehlung für alle, die sich für das Thema interessieren.