Rezension

Das Leben ist nicht fair

Das rote Band - Emma Donoghue

Das rote Band
von Emma Donoghue

~~Emma Donoghue hat sich für ihren Roman "Das rote Band" vom Schicksal einer realen Figur, Mary Saunders, inspirieren lassen. Die biografischen Eckdaten sind anscheinend verbürgt, die dazwischenliegenden Zeitspannen hat die Autorin mit fiktionalen Beschreibungen des Lebens einer jungen Frau im 18. Jahrhundert gefüllt.

 Mary Saunders, geboren im London des Jahres 1748, kommt aus bitterarmen Verhältnissen. Sie ist die Tochter einer Näherin und lebt mit Mutter, Stiefvater und Bruder in einem dunklen, feuchten Kellerraum. Ihr leiblicher Vater hat sich mit der Obrigkeit angelegt und wird daraufhin ins Gefängnis geworfen, wo er auch verstirbt – aber nicht, ohne vor seinem Tode seiner Frau das Versprechen abzunehmen, Mary eine ordentliche Schulbildung zu ermöglichen, was für diese Zeit sehr untypisch ist. Wissen erweitert ihren Horizont, und so will Mary mehr vom Leben, als sich für ein paar Penny die Finger blutig zu stechen. Ihr Sehnen und Verlangen richtet sich vordergründig auf Materielles, auf edle Stoffe und schöne Kleider, und auf ein schmückendes Band aus rotem Satin. Und dieser Wunsch wird ihr Leben für immer verändern. Aber nicht zum Positiven, was bereits aus dem Prolog hervorgeht – sie wird dieses Verlangen schlussendlich mit ihrem Leben bezahlen.

 Donoghue hat keinen "reinen" historischen Romans geschrieben, dafür sind ihre Schilderungen viel zu realistisch und eher im Stil einer Sozialreportage gehalten. Die Lebensbedingungen schildert sie sehr eindringlich, wobei sie den Schwerpunkt auf die Überlebenskämpfe und –strategien der Frauen, exemplarisch vertreten durch Mary Saunders, legt. Allerdings wirkt das nie romantisierend – im Gegenteil. Denn es ist nicht so, dass sich deren Lebensumstände durch Fleiß und Wohlanständigkeit verbessern würden, es geht lediglich ums nackte Überleben, und dafür ist jedes Mittel recht.

 Die Autorin nimmt keine moralischen Bewertungen vor, kann sich aber die eine oder andere spitze Bemerkung über die wohlanständigen Damen und Herren der Gesellschaft nicht verkneifen, die die Nase über die einfachen Mädchen aus dem Volk rümpfen, aber eigentlich keinen Deut besser in der Wahl ihrer Mittel sind und sich ebenso prostituieren.

 Ein beeindruckendes Buch, detailreich und bildhaft erzählt. Eine Lebensgeschichte, die nachdenklich macht und, gerade weil sie nicht gut ausgeht, realistisch ist.