Rezension

Das Mädchen in den Bäumen...

Die Welt zum Zittern bringen, nur weil man da ist -

Die Welt zum Zittern bringen, nur weil man da ist
von Brinx/Kömmerling

Bewertet mit 4 Sternen

Das Mädchen in den Bäumen - wenn "Ausbrechen" die einzige Möglichkeit ist, traumatische Erlebnisse zu überleben, aber nicht alle mitspielen.

Dieser Jugendroman stellt ein außergewöhnliches Mädchen in den Mittelpunkt und dazu für die Zielgruppe schwere Themen, die m.E. durchaus eine Triggerwarnung verdient hätten (häusliche Gewalt, Gefängnis, Trauma, Traumafolgestörung, Blut, Wut, Psychiatrie). Marie ist gerade einmal fünfzehn Jahre alt, und ihr Leben verläuft vollkommen anders als normal. Sie lebt nicht nur allein, sondern dazu auch noch im Wald - und zwar nicht in einer Hütte oder einer Höhle, sondern in einem Baum, den sie dauerhaft als ihr Zuhause eingerichtet hat. Marie klettert geschickt von Baum zu Baum und vermeidet es den Boden zu berühren. Noch nicht einmal zum Waschen verlässt sie den Baum.

Dennoch gibt es Menschen, die regelmäßig im Wald auftauchen: die Zwillige Tim und Tom, die Marie das Leben schwer machen wollen; Schlappe, die dem Mädchen immer etwas zu essen bringt und sich vergewissert, dass es ihr gut geht, und schließlich zwei Mitarbeiterinnen vom Jugendamt, die Karierte und die Gute - die eine korrekt und sachlich ohne große Empathie, die andere mit viel Verständnis und der Hoffnung, dass die Zeit für Marie und die Verarbeitung des schrecklichen Traumas arbeitet. Denn dieses Trauma ist der Grund dafür, dass Marie es nicht in geschlossenen Räumen aushält und schon von überall her weggelaufen ist, und dass sie sich wahnsinnig vor dem Rot fürchtet, das in ihrem Elternhaus so gewütet hat und das das Mädchen zu verfolgen scheint.

In der Guten vom Jugendamt hat Marie eine Fürsprecherin gefunden, die ihr Zeit lassen will, um zu sich zu kommen, bis sie schließlich andere Hilfsangebote annehmen kann. Doch als Marie erfährt, dass ihr Elternhaus verkauft werden soll, eskaliert die Situation. Für Marie ist klar: das darf AUF GAR KEINEN FALL geschehen! Koste es was es wolle. Denn das Rot ist und und bleibt gefährlich - und es hat unbedingt etwas mit ihrem Elternhaus zu tun...

Neben Marie widmet sich der Roman auch ihrer älteren Schwester Lisa, die es ebenfalls nicht leicht hat. Mit gerade einmal 19 Jahren versucht sie, das besagte traumatische Erlebnis zu verdrängen, hat gerade erfahren, dass sie schwanger ist und hofft ihren Freund nicht zu verlieren, wenn der erfährt, was seinerzeit geschah. Lisa soll zudem darüber entscheiden, ob das Elternhaus nun verkauft wird oder nicht, die Interessenten scheinen es ernst zu meinen. Und sie soll Marie endlich zur Vernunft bringen, so zumindest der Wunsch der Karierten vom Jugendamt. Der Sohn der potentiellen Käufer lernt Marie in ihrem Baum zufällig kennen. Jori ist im selben Alter wie Marie und hat keinerlei Interesse daran, in dieses Kaff zu ziehen, bloß weil sein Vater mal wieder das ganz große Immobiliengeschäft wittert. Pfosten nennt Marie den Sohn der Kaufinteressenten, und das hat womöglich auch seinen Grund...

Einen düsteren Jugendroman haben Brinx und Kömmerling da geschrieben, der gegen Ende deutlich an Fahrt und Spannung aufnimmt. Um das Geschehen in Maries Elternhaus wird lange ein Geheimnis gemacht, was zwischen den Zeilen jedoch durchaus zu erahnen ist. Auch die Überraschung gegen Ende konnte mich da nicht wirklich überraschen. Aber sei's drum... Neben den ernsten Themen gibt es auch wohltuende Episoden um Freundschaft und vielleicht auch ein wenig mehr, was den Roman zumindest stellenweise für mich etwas leichter gemacht hat.

Der Schreibstil ist leicht und der Zielgruppe angemessen, der Roman lässt sich süffig lesen. Ich habe Marie gerne ein Stück ihres Weges begleitet und fand einige der angeschnittenen Themen bedenkenswert. Daher eine klare Leseempfehlung von mir!

 

© Parden