Rezension

Das Plusquamperfekt der Literatur

Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack - Mark Hodder

Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack
von Mark Hodder

"Es gibt keine bessere Zeit als die Gegenwart."

Willkommen in London. Au weia schon wieder. Wie oft habe ich das jetzt schon geschrieben? Mehrmals, gebe ich gern zu. Und wer, wie ich das Werk von Hodder mit dem Gedanken an ‚Jack the Ripper‘ assoziierte, dem kann ich gleich mal sagen: Is’ nich. Also… nur tangiert. Die Figur um die es hier geht heißt oder vielmehr hieß tatsächlich ‚Spring Heeled Jack‘ und ist neben ‚the Ripper‘ und ‚the Mothman‘ für seine grausame Umtriebigkeit in England bekannt gewesen.

Ordnen wir aber erst einmal richtig ein. Wir haben Flugapparate, Geothermie im 19. Jahrhundert, Droschken, Degen in Gehstöcken, Haushälterinnen, Königin Viktoria, Scotland Yard, fluchende Kanarienvögel und einen Helden wider Willen. Nicht zu vergessen, einen Affen, Werwölfe und ominöse Menschen die in Schornsteinen wohnen. Und einen Gastauftritt von Oscar Wilde als Zeitungsjunge Quips.
 

"Ich bin so schlau, dass ich manchmal kein Wort von dem verstehe, was ich sage!"

Ja, was wollte ich? Einordnen… ich würde mal grob sagen, von der Recherche her und der zu Grunde liegenden Informationen unserer Hauptfigur: Burton sind wir historisch unterwegs. Durch technische Entwicklungen und Erfindungen sowie der Eugenik im Steampunk Bereich und wenn wir den Nebel Londons außer Acht lassen und mal kurz unter die Fassade schauen schlichtweg im 'Plusquamperfekt der Literatur'. Denn die Auflösung dieses Romans beweist uns das Relativität und Zeitsprünge sowie sich gegenseitig beeinflussende Handlungsstränge Auswirkungen ungeahnter und unberechenbarer Risiken nach sich ziehen.

Burton ist erst einmal allein anzutreffen ohne den im Klappentext erwähnten Swinburne- Algy lässt auch ganz schön auf sich warten. Wenn er dann aber endlich dabei ist, kann man ihn so richtig lieb gewinnen und möchte sich doch glatt hinter ihn stellen um ihm den Hintern zu versohlen, allein deshalb weil er das auch noch toll findet. Burton hingegen ist der Supermann der Geschichte und mit allem ausgestattet was man so braucht. Er bekommt zwar hier und da ganz schön einen auf die Nase, an sich aber ist er ein Indiana Jones mit ‚Orga-Därf-Schein‘. Kein Wunder also, dass er größtenteils im Alleingang sein Schicksal verdreht. Nicht ganz unschuldig daran ist allerdings auch der Mann auf den Stelzen.
 

"Hier oben isses kalt genuch, sich das Dings vom Bums abzufrieren!"

Die Handlung beginnt im historischen Kontext, weicht dann aber schnell vom Vorbild ab. Burton ist Entdecker, Landvermesser und Abenteurer. Er liegt im Streit mit einem anderen Entdecker. Eben dieser jedoch wird angeschossen und ins Hospital gebracht. Burton sagt die öffentliche Diskussion ab und kehrt nach London zurück. Langsam und sorgsam reist der Hauptcharakter ein wenig durch die Stadt, was dem Autor die Möglichkeit gibt dem Leser seine Vorstellung dieser alternativen Entwicklung Platz einzuräumen. Zu Anfang war ich noch felsenfest davon überzeugt ich müsse mir jeden Namen merken und auch sonst auf jede Kleinigkeit achten, irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Hodder ein paar Dinge wieder aufgreifen würde. Aber nach einer Weile habe auch ich gemerkt, das dies nicht nötig ist. Ganz so übereifrig muss man gar nicht sein, denn die erzählte Geschichte ist an einem festen Faden gesponnen und es passieren keine größeren Umwege, das Ziel bleibt klar.

Burton wird nämlich rekrutiert und soll zwei Verdachtsfällen nachgehen. Zum Einen bezieht sich dies auf verschwundene Schornsteinfeger-Jungen und angebliche Sichtungen von Wölfen. Die zweite Kuriosität besteht darin den Zeugenaussagen nach zu gehen, welche sich um den Stelzenmann drehen. Burton kommt dabei zugute, dass er ausdauernd, schnell und vermögend ist, sich brillant verkleiden kann, weil er ja beinah überall auf der Welt schon einmal war und darüber hinaus auf einen unglaublichen Sprachschatz zurück greifen kann. Die am Wegesrand platzierten Indizien findet er alle und kann sie am Ende zusammen fügen und die beiden Rätsel lösen. Stilistisch bietet Hodder durch die Figur des ’Spring Heeled Jack’ die Möglichkeit auch in der Zeit zu springen. So finden wir kurz nachdem Burton und seine beiden Assistenten kurz vor der Lösung stehen eine massive Rückblende, in der sämtliche zuvor schon angedeuteten Sichtungen des Stelzenläufers erklärt werden aus Sicht des ominösen Mannes, dem die blauen Funken nur so um den Kopf flimmern. Nach diesem Abschnitt nimmt der Autor beide Stränge auf und verknotet sie.

"Ich bin ein Dichter! Ich brauche Stimulation! Ich brauche Gefahr! Ich muss den schmalen Pfad zwischen Leben und Tod beschreiten, sonst erfahre ich nichts, was es wert ist, darüber zu schreiben!"

Fazit:

Mehr oder weniger geschickt. Der Anfang war unheimlich viel versprechend und anregend. Spannung gab es vor allem durch den Nebel und den nicht sehr zimperlichen Umgang mit Nebendarstellern. Leider gab es nach dem ganzen Herumgehopse einen Showdown der seinesgleichen suchen dürfte, indem einiges unterschlagen und vergessen wurde, und der Masse an Kanonenfutter Darstellern zum Opfer fiel. So zum Beispiel ein eilig sich auf den Weg machender Dorf-Mob mit erhobenen Mistgabeln, der scheinbar nach dieser Aktion nirgends mehr gesehen war und sich im Wald verlaufen hat.

Ansonsten jedoch war die Schnipseljagd gut vorbereitet und mit einem Helden wie Burton kann man auch nicht viel falsch machen. Es gab viele hinterlistige und lustige Ankedoten. Aber auch eine gute Portion politische und philosophische Ansätze. Will sagen, ich hatte das Gefühl hier sehr viel Potential zu haben. Außerdem gibt es nicht viel ablenkende Liebelei. Von den nächsten Bänden erhoffe ich mir jedoch mehr Einsatz von Algy. Genug Munition für den weiteren neuen Verlauf der Geschichte hat diese Geschichte jedenfalls.

Urteil: "Oder ein paar Korken!"

Pröbchen: