Rezension

Definitiv kein 08/15-Thriller

Perfidia - James Ellroy

Perfidia
von James Ellroy

Das L.A. Quartett von James Ellroy, dem amerikanischen Autor und Chronisten seiner Geburtsstadt Los Angeles, dürfte hinreichend bekannt sein. Handlungszeitraum sind die Jahre nach dem 2. Weltkrieg und es besteht aus den Romanen „Die schwarze Dahlie“, „Blutschatten“, „Stadt der Teufel“ und „White Jazz“.

Nun nimmt er mit „Perfidia“ einen zweiten Zyklus in Angriff, ein Prequel, das den Zeitraum zwischen dem 06. und 29. Dezember 1941 betrachtet. Ausgangspunkt ist der Tag vor dem Angriff auf Pearl Harbour und Handlungsort ist natürlich Los Angeles. Die Metropole kocht, die Atmosphäre ist hochexplosiv. Gewalt liegt in der Luft, denn die Bewohner der Stadt spüren instinktiv, dass sich ihr Leben in den nächsten Wochen radikal verändern wird. Rassismus, Gewalt und Korruption bestimmen das öffentliche Leben. Allenthalben wird Stimmung gegen die japanischen Einwanderer gemacht.

Man will sich nicht um deren Schicksale kümmern, ist froh, als sie deportiert werden, denn alles Fremde ist verdächtig, ist der Feind. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Ermittlungen im Fall der tot aufgefundenen vierköpfigen Familie Watanabe nur halbherzig durchgeführt werden und Spielraum für zahlreiche Spekulationen bezüglich der Todesursache lassen. War es ritueller Selbstmord? Oder vielleicht doch Mord?

Mit der Aufklärung dieses Falles stehen vier Akteure in Verbindung: Hideo Ashida, der Amerikaner japanischer Abstammung, Polizeichemiker mit persönlichen Geheimnissen und ohne Rückgrat. William H. Parker, Polizei-Captain, ein frommer Säufer mit einem Hang zur Gewalt, der große Ziele hat. Dudley Smith, der verheiratete Schürzenjäger ohne Gewissen und ohne Skrupel. Und schließlich die abenteuerlustige Kay Lake, die Femme fatale, nicht wählerische bei ihren Bettgenossen, solange sie ihr nützlich sind und einen Kick versprechen.

Diese vier Protagonisten bilden das Gerüst, um das sich zahlreiche Geschichten in der Geschichte ranken und schildern wechselseitig aus verschiedenen Perspektiven die Ereignisse, wobei die  jeweiligen Kapitel mit Datum und konkreter Uhrzeit überschrieben sind. Zu ihnen gesellen sich eine Vielzahl von Personen sowohl der Zeitgeschichte als auch fiktive Charakter, die wir bereits aus anderen Werken des Autors kennen, sodass man den kompletten Überblick nur dann behält, wenn man hochkonzentriert bei der Sache ist. Die Sprache mag gewöhnungsbedürftig erscheinen, bestehen viele Sätze doch nur aus Fragmenten und Wortfetzen, was meiner Meinung nach aber sehr gut zu dem Stil des Romans passt.

Man hat den Eindruck, als würde Ellroy die kommentierte Chronologie eines kurzen Zeitraums der amerikanischen Zeitgeschichte mit wechselnden Aspekten und verschiedenen Schwerpunkten  schreiben. Sein Mitteilungsbedürfnis ist enorm, er sprudelt über, und da er bisweilen den Faden verliert und sich verheddert, ist es für den Leser nicht immer einfach, seinen Gedankengängen zu folgen. Perfidia“ ist anstrengend, eine Lektüre die Zeit und Konzentration fordert – mit Sicherheit kein 08/15-Thriller.