Rezension

Dekadenz in Reinkultur...

Neununddreißigneunzig - Frédéric Beigbeder

Neununddreißigneunzig
von Frédéric Beigbeder

Bewertet mit 1.5 Sternen

Octave Parango hat einen Topjob in einer noblen Pariser Werbeagentur, Luxus ohne Ende und die Schnauze so voll, dass ihm davon schlecht würde, gäbe es nicht den Zynismus, die Frauen und den Koks. Schonungslos verdammt er seine Welt, in der einfach alles käuflich ist – er selbst eingeschlossen. Bei den Dreharbeiten zu einem Werbespot entlädt sich sein Hass in einer ungeheuerlichen Gewalttat.

Der Sensationserfolg! Dieser Skandalroman aus Frankreich kostete Frédéric Beigbeder den Job in einer bekannten Werbeagentur und katapultierte ihn auf Platz eins der Bestsellerlisten - ein wildes Pamphlet gegen den Totalitarismus von Medien und Werbung und die neoliberale Pervertierung der Demokratie. Beigbeder reiht sich damit ein in die Front jener Autoren um seinen Freund Michel Houellebecq, die den Verantwortlichen der globalen Realität einen «Kampf auf Leben und Tod» angesagt haben.

«Beigbeder verhöhnt Missgunst, Kleinkariertheit und intellektuelle Verkommenheit der Werbebranche.» (Time) «Mit einem zornigen Insider-Porträt der Werbeindustrie gelang Frédéric Beigbeder ein Romanhit.» (Der Spiegel) «Frankreich hat nach Michel Houellebecq einen neuen Skandalliteraten.» (Süddeutsche Zeitung) «Ein Romanhit.» (Der Spiegel) «Eine komplett wahnsinnige Mischung aus Romanfragmenten, ideologiekritischen Essays zum Thema und zynischen Anekdoten macht die Qualität des Buches aus.» (Süddeutsche Zeitung)

"Verkaufen Sie die Leute nicht für blöd, aber vergessen Sie nie, dass sie es sind." (S. 33)

Bewusst habe ich mal den kompletten Klappentext einschließlich der zitierten Meinungen diverser Zetischriften zu diesem Buch vorangestellt, um zu verdeutlichen, mit welcher Erwartung ich an dieses Buch gegangen bin.

Enthüllungen? Skandalroman? Widerstand gegen die Globalität sowie gegen den Totalitarismus von Medien und Werbung? Gerne, her damit!

Doch leider sitze ich jetzt hier, wie schon über große Strecken während der Lektüre, atme noch einmal tief durch und denke: was sollte das? Plakativ wird dem Leser hier die Dekadenz von Medien und Gesellschaft vor Augen geführt, tatsächlich aber habe ich überhaupt nichts Neues erfahren, und das einzige, was ich dem Buch vielleicht zugte halten könnte, wäre die Tatsache, dass ich dadurch an meiner Toleranz- und Ekelgrenze arbeiten konnte.

Klischeehafte Darstellungen ohne Biss und eine durchgängig ordinäre Ausdrucksweise lassen dem Zynismus kaum den notwendigen Spielraum - Verachtung, das ist es, was hier transportiert wird, für mich oft eher primitiv denn provokativ. Gekonnt jongliert Beigbeder hier mit den Begriffen aus der Werbebranche, was aber kein Wunder ist, da er aus dem Metier kommt. Ich habe nicht in jedem Fall erfasst, was da ausgedrückt werden sollte, wohl aber, dass da jemand recht selbstverliebt sein Wissen zur Schau stellt.

"In einer blockierten Gesellschaft, wo jeder schuldig ist, ist es das einzige Verbrechen, sich erwischen zu lassen. In einer Welt der Diebe ist Dummheit die einzige unverzeihliche Sünde." (S. 203)

Nur selten lässt der Hauptcharakter Octave uns die Möglichkeit, in sein wahres Inneres hineinzuschauen. Seine Freundin Tamara formuliert dies treffend: 'Viele Ekel machen auf nett; du bist ein Netter, der auf Ekel macht.' Ansonsten ist er der coole Typ, dessen Tun durch seinen Welthass, gleichzeitig aber auch durch seine Selbstverliebtheit bestimmt wird. Um die Welt, in der er lebt, überhaupt noch ertragen zu können, bleibt ihm nur der zugekokste Zynismus. Ein wirklicher Roman ist dies nicht, eher Fragmente daraus, eine Art Dauerwiederholung ohne wirkliche Intensität, gespickt mit sexistisch-verächtlichen Phrasen. Zuweilen rufen die Schilderungen durchaus Ekel hervor, Desillusion ebenso, vor allem aber eines: Langeweile.

Am Ende lässt sich festhalten, dass dieses Buch durchaus in die Welt der Werbebranche passt: es ist für mich eine Mogelpackung. Schade, ich hatte hier etwas ganz anderes erwartet...

© Parden