Rezension

Der Albatross hat nur einen Partner, sein Leben lang.

Die Sehnsucht der Albatrosse - Karin Seemayer

Die Sehnsucht der Albatrosse
von Karin Seemayer

Bewertet mit 5 Sternen

San Franzisco 1904: Die Schlagzeile der „San Francisco Call“ kündigt auf der Titelseite an, das überraschende Geheimnis um den Rückzug der gefeierten Opernsängerin Emilia Rossi von der Bühne der Grand Opera zu enthüllen. Emilia Rossi ist der Künstlername von Sarah Tanner, die sich – entgegen der Aussage der Zeitung – nicht etwa wegen einer unglücklichen Liebe aus dem Metier zurückzieht, sondern weil der Arzt ihr geraten hat ihren Stimmbändern ein wenig Ruhe zu gönnen, bevor diese so geschädigt sind, dass sie gar nicht mehr singen kann.

Sarah weiß ihre 18jährige Tochter gut behütet in den Händen ihrer Schwester und so bucht sie auf der „Kalani“, einem Passagierschiff, eine Reise nach Hawaii. Drei Tage bevor die „Kalani“ Hawaii erreicht, gerät das Schiff in einen tropischen Wirbelsturm. Die Situation spitzt sich so zu, dass die Passagiere das sinkende Schiff in den Rettungsbooten verlassen müssen.

Anderthalb Tage später wird die Besatzung eines zweimastigen Segelbootes auf das auf dem offenen Meer treibende Rettungsboot aufmerksam und sie befreien Sarah, einen Heizer und einen Kabinensteward der „Kalani“ aus ihrer Seenot und nehmen sie auf der „Victory“ auf. Bei der „Victory“ handelt es sich um einen Robbenfänger. Der Kapitän und die Besatzung sind auf dem Weg ins Eismeer, um dort ihrem (blutigen) Geschäft nachzugehen. Sarah glaubt, dass sie aufgrund ihres gehobenen Standes und ihres Vermögens ein Recht darauf hat, dass der Kapitän der „Victory“ von seiner Route abweichen muss, um sie nach Hawaii zu bringen. Kapitän John Brandon jedoch kann dem aus Zeitgründen nicht entsprechen und kündigt ihr an, dass sie so lange auf dem Schiff bleiben muss, bis ihre Robbenjagd erfolgreich war und sie anschließend einen japanischen Hafen anlaufen können; es handelt sich dabei um eine Zeitspanne von wahrscheinlich vier bis fünf Monaten.

Als einzige Frau auf einem Segelschiff voller Männer….. und Kapitän John Brandon erscheint ihr seltsam vertraut.

Autorin Karin Seemayer hat mit dem 1. Teil der „Saga der Albatrosse“ einen wirklichen Wohlfühlroman geschrieben. Ich hatte schon lange keinen historischen Roman mehr in der Hand, den ich an einem Tag komplett gelesen habe.

Sarah kommt aus gutem Hause. Sie wurde schon jung mit einem vermögenden, aber wesentlich älteren Mann verheiratet und nach dessen Tod lebt sie mit ihrer Tochter zusammen. Sie hat sich ihren großen Traum erfüllt und ist (erfolgreiche) Opernsängerin geworden. Ihre Mutter findet diesen Beruf „liederlich“, was Sarah jedoch nicht davon abhält, zu tun was sie liebt. Sie ist es zwar gewohnt von Personal umgeben zu sein, trotzdem gehört sie nicht zu den Frauen, die ihre Passion im Nähen und Sticken finden und so verfügt sie über ein paar Kochkünste und kann – sofern es notwendig ist – auch richtig zupacken. Eigentlich wollte sie auf Hawaii entspannen und ihre Stimmbänder schonen, nach dem Sinken der „Kalani“ findet sie sich jedoch auf einem Robbenfänger wieder, der so gar nix luxuriöses für sie zu bieten hat. Da das Essen auf der „Victory“ bisher mehr dem Überleben als dem Genuss diente, macht sie sich in der Kombüse nützlich. Eine andere Arbeit wäre für sie auch nicht vorhanden.

Es dauert einige Zeit, bis Sarah herausfindet, warum ihr der Kapitän John Brandon seltsam vertraut vorkommt. Sie kennt ihn aus (s)einem Leben, in dem er noch einen anderen Namen hatte.

Nicht alle Seemänner sind ihr freundlich zugetan. Da gibt es die, die sie ignorieren und die, die sie tolerieren. Dann gibt es die, die aufgrund ihres Aberglaubens denken, dass eine Frau an Bord eines Schiffes Unglück bringt und alles was passiert auf Sarahs Anwesenheit schieben (und sie gerne über Bord gehen gesehen hätten). Und zuletzt gibt es dann noch die, die ihr wohlwollend zugewandt sind und ihr helfen, sich im rauen Alltag in einer Männerdomäne zurechtzufinden. Einer von denen, die ihr wohlwollend zugewandt sind, ist der Schwede Peer Svensson. Peer ist ein netter Mann, der aber aufgrund seiner Ehrlichkeit und seiner Art gerne bei den anderen Matrosen aneckt.

Die Autorin Karin Seemayer hat es geschafft, mehrere Dinge unter einen Hut zu bringen: Sie beschreibt die Geschichte einer Frau zu einer Zeit, in der Frauen nicht viel bis gar nix zu sagen haben. Sie beschreibt den harten und gefährlichen Arbeitsalltag auf einem Robbenfänger und sie verbindet eine Liebesgeschichte, die dem Ort und der damaligen Zeit absolut angemessen ist. Die Charaktere sind alle so liebevoll und wirklich hervorragend ausgearbeitet, die Beschreibung der Örtlichkeiten und der Umstände sind so detailgetreu beschrieben, dass ich 432 Seiten lang das Gefühl hatte, mich ebenfalls auf der „Victory“ zu befinden.

Der Schreibstil von Karin Seemayer ist super angenehm und das Buch liest sich wirklich gut an einem Stück weg. Ich für meinen Teil bin begeistert und der 2. Teil „Das Geheimnis des Nordsterns“ steht schon in der Warteschleife. Allerdings werde ich dieses hören statt lesen.

Es fühlt sich so an, als ob dieses Buch mein Jahres-Highlight werden wird.