Rezension

Der Aufstand des Gewissens

Claus Schenk Graf von Stauffenberg - Ulrich Schlie

Claus Schenk Graf von Stauffenberg
von Ulrich Schlie

Bewertet mit 4 Sternen

»Die Frauen und Männer vom 20. Juli 1944 konfrontieren uns damit, dass es in den dunklen Jahren Menschen gab, die eine Alternative zum Wegsehen und zum Mitmachen ergriffen, aber auch damit, dass es zu wenige waren, die ihrem Gewissen folgten oder folgen konnten. Die Geschichte des deutschen Widerstands handelt von inneren Kämpfen, vom Ringen mit dem Gewissen, von Anstand und Ehre, von Mut und Zivilcourage.«

Der 20. Juli 1944 war ein Tag, an dem sich die Geschichte hätte ändern können. Bekanntlich schlug das Attentat auf Adolf Hitler fehl, Stauffenberg und viele seiner Mitverschwörer wurden teils unmittelbar danach oder in den folgenden Monaten hingerichtet.

An Stauffenberg schieden sich fortan die Geister. Für viele war und ist er ein Held, verehrt für seinen selbstlosen Einsatz. Andere sahen ihn als Verräter oder äußerten sich kritisch zu seinen Motiven, stellten diese in Frage.

 

Ulrich Schlie beginnt seine Ausarbeitung zu Stauffenbergs Leben und Wirken mit einer Darstellung eben dieser kontroversen Positionen, er setzt sich mit Kritikern auseinander und führt aus, weshalb es auch heute noch so wichtig ist, sich mit den Taten des 20. Juli zu beschäftigen, welche Bedeutung der damalige Widerstand für die heutige Zeit und das Zusammenleben in Europa hat.

 

Zunächst wird dann der genaue Ablauf dieses 20. Julis beschrieben. Diese Schilderung empfand ich als gleichermaßen informativ und intensiv. Die folgenden Kapitel befassen sich mit Stauffenbergs Leben, seiner Herkunft und seinem Werdegang.

Zu einer Zeit, in der Adel und Militär privilegiert waren, wuchs er in einer alten Adelsfamilie auf, in der ein offener und toleranter Geist herrschte. Schon früh festigten sich die Werte, die sein Leben bestimmten: Religion, politisches Interesse und großer Patriotismus. Sein oberster Grundsatz war, dem Staat zu dienen. Soldat zu werden und die Offizierslaufbahn einzuschlagen wurde so zur logischen Konsequenz.

1933 wurde der junge Offizier mit den Worten »Zuverlässiger und selbständiger Charakter mit unabhängiger Willens- und Urteilsbildung« beurteilt. Es war nur eine Frage der Zeit, wann er, der er täglich aufmerksam Zeitung las und die politische Entwicklung verfolgte, die Situation erkannte.

Die Zeit zwischen 1940 und 1943 war von diesem Erkennen geprägt, es folgten erste Zusammenschlüsse mit Gleichdenkenden und der Beginn des Widerstands. Nach seiner schweren Kriegsverletzung wird er im Krankenbett mit den Worten zitiert: »Es wird Zeit, dass ich das Deutsche Reich rette«

 

Stauffenberg und alle seine Mitstreiter (ob militärisch oder zivil) haben mich stets enorm beeindruckt. In einer Zeit, in der die meisten Menschen mit dem eigenen Überleben und den eigenen Ängsten beschäftigt waren, folgten sie dem Ruf ihres Gewissens, setzten ihr eigenes Leben ein, um viele andere Menschen zu retten. Obwohl sie keinen Erfolg hatten, hat der große Symbolwert ihrer Handlung Bestand, macht einerseits Mut und regt gleichzeitig zum Nachdenken an. Was hätte ich getan? Eine unangenehme und (wenn man ehrlich ist) sicher nicht leicht zu beantwortende Frage. Zumal die Entscheidung, ob man für einen guten Zweck ein Attentat begeht und Menschen ermordet, um andere zu retten, schon für sich eine Gewissensentscheidung ist. Möglicherweise fiel sie einem Soldaten etwas leichter? Ich weiß es nicht und tue mich mit einer persönlichen Wertung schwer. Für den Autor ist die Sache klar und der Tyrannenmord entschuldigt. Eine nachvollziehbare Position, doch würde ich mir in einem Sachbuch eine etwas neutralere Haltung wünschen.

 

Der Autor legt großen Wert darauf zu betonen, dass Stauffenberg kein Alleinkämpfer war, dass eine große Anzahl Verschwörer zusammenarbeiteten. Einige werden namentlich beschrieben und es wird auf ihre Aktivitäten eingegangen.

 

Speziell zu Stauffenberg gibt es reichlich Literatur. Dieses Buch bietet eine sehr straffe und konzentrierte Biographie, die sich auf die wesentlichen Aspekte beschränkt und dadurch leicht und schnell zu lesen ist. Ich denke, dass die Punkte seines Lebens, die ihn zu dem Attentäter des 20. Juli werden ließen, gut herausgearbeitet wurden, trotzdem hätte ich mich gerne noch intensiver mit seinem Charakter befasst.

 

Fazit: Eine sehr straffe und konzentrierte Biographie, leicht zu lesen und regt zum Nachdenken an.

 

»Das Leben Claus Graf von Stauffenbergs ist gewaltsam zu Ende gegangen. 36 Jahre alt ist er geworden. Sein letzter Tag ist nicht nur sein längster, er ist auch der Tag gewesen, mit dem er sich in die deutsche, in die europäische Geschichte eingeschrieben hat. An diesem 20. Juli hat er versucht, den Lauf der Geschichte zu ändern. Dies ist ihm nicht gelungen, und doch hat er Geschichte geschrieben. Stauffenberg war ein Mann der Tat, und sein letzter Tag war der Tag der Tat.«