Rezension

Der chinesische Präsident - Parteimann oder Macher?

Die Welt des Xi Jinping - Kerry Brown

Die Welt des Xi Jinping
von Kerry Brown

Bewertet mit 4 Sternen

Kerry Brown hat seine kurze Biografie des chinesischen Staatschefs Xi Jinping punktgenau zum 19. Parteitag im Oktober 2017 veröffentlicht und musste sie im Anschluss gleich ergänzen um die Information, dass dort Xi der Stolperstein einer Amtszeitbegrenzung aus dem Weg geräumt wurde. „Alles, was man über das neue China wissen muss“, kann Brown auf knapp 150 Seiten natürlich nicht vermitteln, was man von der Person Xi erwarten kann, dagegen schon. Brown geht der Frage nach, was Xi zurzeit zum mächtigsten Mann macht, was ihn von Mao und Xis Vorgängern Jiang und Hu unterscheidet und was Chinas wachsende Mittelklasse von ihrem Präsidenten zu erwarten hat. Brown charakterisiert Xi als ausgesprochenen Glückspilz, der in seiner Jugend nichts falsch machte und dessen Karriere es selbst nicht schadete, dass sein Vater Verbündeter Maos war. Xis Abordnung zur Landarbeit erwies sich sogar als Bonus. Sein Amt wird ihm heute von den Bürgern gegönnt, weil leidvolle Zeiten in seiner Jugend eine emotionale Bindung zu ihm schaffen und weil er es auf einem entbehrungsreichen Weg erarbeitet hatl. Ein höchst interessanter Abschnitt in Xis Biografie ist seine Zeit als Gouverneur der Provinz Fujian, als er bereits Ehrgeiz und strategisches Denken zeigen konnte. Beim Thema Fujian hätte ich erwartet, dass Brown als China-Experte wenigstens kurz Xis Netzwerk analysiert aus jener Zeit, in welchen Branchen seine Kontakte heute Einfluss haben und in welche Staaten deren Familien Wurzeln durch Auswanderung ausgestreckt haben. Diese „guanxi“ wären ein einleuchtendes Beispiel gewesen, wie das Land funktioniert.

Um das moderne China zu verstehen sind neben der o.g. Frage, wo eine Person herkommt, das Anerkennungsbedürfnis des Landes wichtig, das aus der nie verwundenen Schmach resultiert, sich von anderen Ländern schlecht behandelt zu fühlen. Der Autor listet jene Themen auf, an denen sich erst noch zeigen muss, ob Xi tatsächlich die Macherqualitäten zeigen wird, die von einem ehemaligen Gouverneur zu erwarten sind: Die Spannungen zwischen Staat und Markt lösen, Eindämmung der Korruption, Umwelt und Gesundheit, Überalterung, der anspruchsvollen Mittelschicht Sicherheit für ihre Vermögenswerte schaffen, Rechtssicherheit für ausländische Investoren, der Stadt-Land-Konflikt und die dringende Reform des Rechtssystems. Laut Brown zeigt Xis Rede auf dem zitierten Parteitag bisher erst die Traumwelt eines Landes, das die gesetzten Ziele noch nicht erreicht hat.

Das Layout des Buches macht beim Lesen keine Freude, hervorgehobene Daten und biografische Eckpunkte hätten das Lesen erleichtert. Dass ein Autor mit Browns Veröffentlichungshistorie außer der Fundstelle des Redetextes auf nur zwei Veröffentlichungen verweist (eine davon stammt von ihm) und keine Quellen angibt, finde ich etwas dünn. Browns Ansatz, das China der Gegenwart aus dem Lebenslauf und der Persönlichkeit seines Präsidenten zu erklären, hat mich überzeugt, er hätte dabei gern stärker in die Tiefe gehen können.

Der Autor
Kerry Brown beendete sein erstes Studium 1989, war u. a. Botschaftssekretär an der Britischen Botschaft in Beijing und lehrte an der Universität von Sydney. Er ist Professor für China-Studien am Kings College London; Mitherausgeber des Journal of Current Chinese Affairs (dem Nachfolger von China aktuell) am GIGA Institut für Asien Studien in Hamburg und hat zahlreiche weitere Posten zum Thema China inne.