Rezension

Der Hausmann-Alltag im Nahen Osten

Aufzeichnungen aus Jerusalem - Guy Delisle

Aufzeichnungen aus Jerusalem
von Guy Delisle

Bewertet mit 4.5 Sternen

Jerusalem – da war doch was… Das ist die Stadt, von der man immer in der Tagesschau hört. Meist gefolgt von der Nachricht, dass wieder einmal die Religionen aneinandergeprallt sind und wie viele Todesopfer zu beklagen sind. Dass an diesem Flecken Erde auch so etwas wie Alltag stattfindet, kann man sich schwer vorstellen. Guy Delisles Graphic Novel “Aufzeichnungen aus Jerusalem” beweist das Gegenteil und macht deutlich wie kompliziert simple Dinge in einer Region im ständigen Ausnahmezustand sein können.

Der kanadische Comiczeichner hat ein Jahr lang die Stellung eines Hausmannes gehalten, während seine Ehefrau für Ärzte ohne Grenzen im Gaza-Streifen arbeitete. Das Leben als Hausmann ist ohnehin nicht einfach, aber die Situation in Israel machte es ungleich schwieriger.
So muss Delisle seine beiden Kinder nicht nur versorgen, sondern vor allem beschäftigen.

Kindergartenplätze sind ein rares Gut und meist zeigt sich der pädagogische Wert solcher Einrichtungen daran, dass neben der Fernsehdauerbeschallung auch mal gespielt wird. Aber einen Ausgleich dazu zu schaffen fällt schwer – Spielplätze sind selten und spätestens nach dem zehnten Besuch des Zoos hängt dieser nicht nur den Eltern zum Hals raus.

Die Zeiten in denen die Kinder dann doch gut versorgt sind, nutzt Deslisles zum Schlendern durch die Stadt. Natürlich besucht er auch die Sehenswürdigkeiten, bestaunt den Tempelberg, wundert sich über die Betonmauer, die Israel von den Palästinensern trennt. Auch vor dem Besuch in eher heiklen Gebieten wie dem Westjordanland schreckt er nicht zurück. Das alles hält er in wunderbar unaufgeregten meist nur zweifarbigen Bildern fest.

Delisle erzählt mit seinen Zeichnungen eigentlich nichts zur politischen Situation in Israel, was man nicht schon in zahllosen anderen Artikeln nachlesen konnte. Was diese Graphic Novel so besonders macht, sind seine Erzählungen von dauernd geschlossenen Geschäften, verfeindeten Nachbarn, aber auch von harmonischen Begegnungen zwischen den Religionen, die zwar selten, aber dafür umso wertvoller sind. Über alle möglichen Skurrilitäten erzählt der Atheist Delisle unparteiisch, ohne Patentrezept oder Pathos und gerade das macht es lesenswert.