Rezension

Der Herzstein

Dustlands - Der Herzstein - Moira Young

Dustlands - Der Herzstein
von Moira Young

Nachdem Saba mit Hilfe ihrer Freunde den Unterdrücker Vikar Pinch besiegt hat, ist sie nun gemeinsam mit ihren Geschwistern Lugh und Emmi sowie Tommo, der so gut wie zur Familie gehört, unterwegs nach Westen, um sich dort eine gesicherte Existenz aufzubauen - würde Saba bloß nicht ständig von Erscheinungen verfolgt! Unterwegs wollen sie auch Jack, Sabas große Liebe, treffen, doch dazu kommt es nicht mehr: Stattdessen muss Saba von Maev, der Anführerin einer Gruppe von Freiheitskämpfern, erfahren, dass Jack sich offenbar den mordenden und Land verwüstenden Tonton angeschlossen hat, die sich unter einem anderen Anführer neu gruppiert haben. Dieser nennt sich "Der Wegbereiter" und bald schon stellt sich heraus, dass Saba und er sich bereits mehrfach begegnet sind. Die Begegnung, die daraufhin folgt, erschüttert jedoch Sabas komplettes Weltbild und zu allem Überfluss brennt auch der Herzstein, den sie zurückbekommen hat, wie verrückt in der Gegenwart von DeMalo... Aber sie will doch Jack und der ist doch nicht wirklich auf die Seite des Feindes gewechselt - oder?

 

Bei Dustlands - Der Herzstein handelt es sich wieder einmal um ein Buch, das mich zu Beginn hat zweifeln lassen - nur um mich dann mit umso größerer Wucht von sich zu überzeugen.

 

Die Geschichte wird im Präsens (und bis auf den ersten und den letzten Abschnitt) aus der Ich-Perspektive von Saba erzählt, worauf auch der Schreibstil ausgerichtet wurde: Entsprechend werden viele Umgangsformen und Ellipsen verwendet, Wortendungen ausgelassen oder Buchstaben verschluckt, was die Situation zwar authentisch wirken lassen soll, aber furchtbar schwer zu lesen ist, da man an diese Auslassungen im Schriftbild nicht gewöhnt ist. Außerdem lässt es die Protagonistin zu Beginn leider manchmal wenig intelligent wirken, wie ich finde. Lernt man sie näher kennen, stellt sich dies allerdings schnell als Trugschluss heraus, was in mir die Frage aufwirft, warum man sie Dinge dann derartig beschreiben lässt. 

 

Nachdem ich die Lücken etwa die ersten hundert Seiten lang immer wieder im Kopf komplettiert hatte (was auch furchtbar war), konnte ich mich allerdings langsam mit dem Stil anfreunden und zum Glück kam ab diesem Punkt auch die Handlung richtig in Schwung.

 

Besonders gut gefallen haben mir die Kapitel, in denen DeMalo vorkam, da er nicht nur plötzlich als sexuell extrem begehrenswert erscheint, sondern man den Mensch hinter dem "Wegbereiter" und seine Motive kennenlernt, die größtenteils sogar nachvollziehbar erscheinen und ihn vom reinen "Bösen" in eine Grauzone hineinrücken. Dadurch erscheint sein Charakter plötzlich deutlich komplexer, genau wie der von Jack, der durch seine zwielichtigen Aktivitäten plötzlich in Verruf gerät, weil niemand die Hintergründe seiner Tat kennt. Auch scheint DeMalo tatsächlich eine weiche Seite zu haben und wirkt im direkten Kontakt mit Saba nicht im Mindesten wie ein Unmensch, da er scheinbar sogar in der Lage ist, so etwas wie Liebe zu empfinden und Sanftheit walten zu lassen - Dennoch ist er überzeugt davon, all diese schrecklichen Taten begehen zu müssen, um eine gesunde Welt zu erschaffen.

In den Wahnsinn getrieben hat mich dagegen Lugh: Zwar ist es ehrenwert, dass er seine Schwester beschützen möchte, aber die herrische Art, mit der er dem gerecht zu werden versucht, finde ich völlig unangebracht. Er scheint immer nur seine Meinung für die einzig korrekte zu halten und trampelt dabei rücksichtslos über Andere hinweg, unter anderem über Sabas und Emmis Bewunderung für ihren Vater oder über Auriel und ihre kundige Hilfe, damit Saba endlich von den Geistererscheinungen der Toten befreit wird. Außerdem gibt er grundsätzlich Jack oder Saba die Schuld an allem, obwohl Saba ihn ausdrücklich aus allen Angelegenheiten heraushalten wollte. Natürlich hat Lugh viel durchgemacht, bevor Saba ihn gefunden und befreit hat, aber als er ihr auch noch vorwirft, sie habe eben zu lange gebraucht, hatte er bei mir als Person leider verloren. Seine geschwisterliche Fürsorge in allen Ehren, aber ich glaube, er kann einfach nicht akzeptieren, dass er und Saba zwei unterschiedliche Personen mit eigenem Kopf sind und verhält sich deshalb derartig daneben. Nur seine Zuneigung zu Maev lässt ihn hin und wieder ein wenig menschlicher erscheinen.

Nicht zuletzt ist natürlich auch die emotionsgeladene Saba hochinteressant, wie sie mit den Geistern der Vergangenheit und ihrem Gewissen kämpft oder unbedingt an die Liebe glauben will, selbst wenn sie aus ihrem Gefühl heraus manchmal unbedacht handelt – unter Lughs Kontrolle sind die meisten ihrer Ausbrüche jedoch völlig nachvollziehbar.

Tommo dagegen kann einem wirklich leid tun, da er anscheinend vom Pech verfolgt wird und ich bin gespannt, wie er sich im letzten Band noch entwickeln wird, da das Ende von Der Herzstein auf nichts Gutes schließen lässt, enttäuscht und verraten wie er sich fühlt. Meiner Meinung nach ist es nämlich recht ungewöhnlich, ein Buch mit den Gedanken eines anderen als des Hauptcharakters abzuschließen, weshalb ich dahinter durchaus eine bestimmte Bedeutung vermute.

Am coolsten war jedoch mit Abstand Moses, das Kamel, das alle außer seinem Besitzer zur Weißglut getrieben hat, indem es sich einfach weigerte weiterzulaufen und in jeder noch so unmöglichen Situation gemütlich wiederkäute – dadurch wurde dem Buch genau die richtige Prise Humor hinzugefügt, um die Geschichte nicht zu ernst zu machen, aber auch nicht ins Lächerliche zu ziehen.

Insgesamt verbirgt sich zwischen den toll designten Buchdeckeln von Dustlands – Der Herzstein also eine Geschichte um Liebe, weltverändernde Träume und Charaktere, die weder schwarz noch weiß sind, gespickt mit wilden Verfolgungsjagden und spannenden Kämpfen – nur der Schreibstil ist zu Anfang ein wenig gewöhnungsbedürftig.