Rezension

Der Luftschutzbuchclub

Der Buchclub – Ein Licht in dunklen Zeiten -

Der Buchclub – Ein Licht in dunklen Zeiten
von Annie Lyons

„Manchmal ließ Gertie die Finger über die Buchrücken in den Regalen gleiten, weil er dort war, in jedem einzelnen Buch, auf jeder Seite, in jedem Wort. Es verschaffte ihr ein wenig Trost – und vertiefte gleichzeitig die Trauer. Gerti liebt ihre Buchhandlung, doch am meisten hatte sie den Laden in Verbindung mit Harry geliebt.“ (S. 29)

Gertie ist Ende 50 und hat seit dem Tod ihres Mannes Harry die Freude an Büchern verloren, sie trägt sich mit dem Gedanken, ihren Laden „Binghams Bücher“ zu verkaufen. Da fängt Deutschland den 2. WK an und Charles, der beste Freund ihres verstorbenen Mannes, der den Transport jüdischer Kinder aus Deutschland organisiert, bittet sie, eines aufzunehmen. Gertie kann sich das nicht vorstellen, da ihr nie eigene Kinder vergönnt waren, aber Charles insistiert: „Die Welt befindet sich am Rande einer Katastrophe, Gertie. Die Frage lautet, stehen wir daneben und sehen untätig zu, oder stehen wir auf und leisten unseren Beitrag?“ (S. 42)

Also nimmt sie Hedy (Hedwig) bei sich auf. Die 14jährige stammt aus München, spricht zum Glück etwas besser Englisch als Gertie Deutsch, vermisst aber ihre Familie sehr. Zum Heimweh kommt die Angst, wie es ihnen in Deutschland ergeht. Hedy verschließt sich und lässt niemanden an sich ran. Erst als Gertie die gemeinsame Liebe zu Büchern entdeckt, taut Hedy auf. Die Bücher sind es auch, die ihnen in den Nächten der Luftangriffe die Angst nehmen und sie ablenken. Und so laässt Gertie sie den Buchclub wieder aufleben, der mit Harry eingeschlafen war.

 

„Niemand ist eine Insel …“ (S. 119) sagt Gertie an einer Stelle und doch fühlt sich Hedy zu Beginn in England oft so – getrennt von ihrer Familie, in einem fremden Land, wo ihr das Essen und der Tee nicht wirklich schmecken und sie (noch) keine Freunde hat. Außerdem schlagen ihr auch hier Judenhass und Abneigung entgegen, weil sie als Deutsche der Feind ist.

Ich konnte mich sehr gut in sie einfühlen und mochte es, dass Annie Lyons nichts beschönigt, sondern deutlich aber behutsam zeigt, welche Probleme sich zwischen den beiden Frauen mit über 40 Jahren Alters- und kulturellen Unterschieden auftun. Hedy wartet auf ihre Familie, sie will und kann Gertie nicht als Ersatz annehmen, und das soll sie auch nicht. Denn auch Gertie fällt es nicht leicht, plötzlich für einen Teenager verantwortlich zu sein, der sie so sehr an ihre eigene Unfähigkeit erinnert, Kinder zu bekommen und ihren eingefahrenen Alltag durcheinander wirbelt. Dazu kommt das Grauen des Krieges, die Angriffe, die Zerstörung, die Angst. All das schweißt Hedy und Gertie immer mehr zusammen, sie geben sich gegenseitig Kraft, Mut und Halt.

Und natürlich sind auch sie beide keine Insel. Sie leben in einer Gemeinschaft, deren Mittelpunkt u.a. die Buchhandlung, deren (Luftschutz-)Keller und der Buchclub ist.

 

Auch, wenn das Thema und die Zeit, die Annie Lyons in ihrem Buch behandelt, für mich nicht neu sind, so konnte mich ihre Geschichte doch abholen und berühren. Für mich wird sie durch die Beziehung zwischen Gertie und Hedy besonders, zeigt, wie wichtig Zusammenhalt und Anpassungsfähigkeit sind und dass Bücher Mut und Hoffnung machen und die unterschiedlichsten Menschen verbinden können.