Rezension

Der Nulluhrzug

Nulluhrzug - Juri Buida

Nulluhrzug
von Juri Buida

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Buch was nicht jeder mögen oder verstehen wird. Mich konnte es aber vollständig faszinieren und überzeugen.

Die Einwohner von Siedlung 9, einem Gulag, haben nur eine Aufgabe – der Nulluhrzug muss pünktlich und ohne Probleme durchfahren können, sprich, sie sind den ganzen Tag auf den Beinen um die Schienen zu warten, die Lichter und elektrische Geräte. Während sich viele Bewohner fragen was der Zug eigentlich transportiert, wohin er fährt, was wird dort gemacht ist es Iwan Ardabjew egal. Er sorgt dafür dass alles reibungslos funktioniert und hinterfragt nichts. Und er mag auch nicht dass die Mitbewohner den Nulluhrzug beginnen zu hinterfragen…

1993 erschien dieser Roman unter dem Namen „Don Domino“, dies bezog sich auf den Iwan Ardabjew. Nun ist das Buch erneut erschienen als Parabel und hat mich ganz schön ins Grübeln gebracht.

Ich glaube nicht dass dies ein Buch für jedermann ist. Es ist vom Schreibstil schlicht, einfach und fast gefühlslos und doch macht dies genau das aus was man liest, was man empfindet, was einen überlegen lässt. Ich bin fasziniert wie der Autor es geschafft hat dies in seinen Schreibstil so einzupacken.

Der Nulluhrzug. Er soll pünktlich durchfahren und keiner darf überhaupt nur nachdenken warum, wieso, weshalb. Der Nulluhrzug steht für viele Dinge die in der Geschichte von Ländern, von Völkern, vorgekommen ist, was uns verändert, wie gefährlich manche Ansichten oder der blinde Gehorsam ist.

Der Zug kann alles transportieren, von geschichtlichen Dingen gesehen bis zu technischen Dingen, Züge werden für viele Dinge eingesetzt, schon immer. Früher waren sie die Erfindung die einen schneller von A nach B brachte. Sie waren starke Maschinen die laufen mussten, die verehrt wurden, die begeisterten. Und die eben viel transportieren.

Die Beschreibung des Gulags ist sehr gelungen, es ist grau, dreckig, düster, ungemütlich, kein Ort an dem man leben möchte, an dem man seine Familie aufziehen will. Und darum hinterfragen viele diesen Ort, den Zug, das Handeln ihrerseits. Und während es immer mehr kritische Stimmen werden, so bleibt Iwan ruhig, besonnen und möchte es gar nicht hinterfragen…denn wer weiß was er erfahren würde…würde es sein Leben positiv oder negativ verändern? Die Konsequenzen von Hinterfragen und Neugier werden auch hier aufgezeigt.

Iwan steht für viele in einem System, meist nicht im positiven Sinne. Ich denke es ist kein Verbrechen neugierig zu sein, es ist kein Verbrechen etwas zu hinterfragen, nachzudenken, mitzudenken und im Notfall zu handeln. Wenn es mehr machen ist ja bewiesen dass man auch viel verändern und umstürzen kann.

Das Nachwort von Julia Franck erklärt dem Leser nochmals ein bisschen was gemeint sein könnte, was dieser Zug alles darstellt, womöglich für jeden Leser etwas anderes. Und das macht dieses Buch, in meinen Augen, auch so interessant, wichtig und in seinem Konzept brillant.

Ob es jedem gefallen wird bleibt dahingestellt. Mich hat es auf jeden Fall zum nachdenken angeregt.