Rezension

Der Zweifel ist dein bester Freund. - Marcel Proust

Sommerglanz am Liliensee -

Sommerglanz am Liliensee
von Elisabeth Büchle

Bewertet mit 5 Sternen

1966 Schwarzwald. Harry Sonntag tritt seinen Dienst als neuer Pfarrer der Gemeinde in Vierbrüggen am Liliensee an. Gepflegt gekleidet und gewissenhaft versieht er seinen Dienst, um seine neuen „Schäfchen“ von sich zu überzeugen und in absehbarer Zeit die Karriereleiter hinaufzusteigen. Allerdings ist es vor allem sein gutes Aussehen, das die Damenwelt sich an seine Fersen heftet. Ellen Stein hilft eigentlich im elterlichen Hotel mit, doch sie liebt die Arbeit mit Holz, obwohl sie dieses Talent nur insgeheim ausüben kann. Mit großer Inbrunst restauriert sie die Intarsienschnitzerei der Kirchenempore und trifft dabei auch auf Pfarrer Harry. Immer öfter begegnen sich die beiden und finden alsbald heraus, dass sie einiges gemeinsam haben. Während sich langsam Gefühle für den jeweils anderen in ihren Herzen einnisten, sind es die eigenen Vorstellungen vom Leben, die sie voneinander trennen. Werden sie doch noch einen gemeinsamen Nenner finden?

Elisabeth Büchle hat mit „Sommerglanz am Liliensee“ den dritten Band ihrer Liliensee-Reihe vorgelegt, der den beiden in sich geschlossenen Romanen in punkto Unterhaltungswert, Warmherzigkeit, Romantik, wunderbar ausgearbeitete zwischenmenschliche Beziehungen sowie deren zwiespältige Gefühle in nichts nachsteht. Der flüssige, farbenprächtige und empathische Erzählstil lädt den Leser in den malerischen Schwarzwald ein, wo er sich in Vierbrüggen am Liliensee mal an der Seite von Ellen, mal an der von Harry wiederfindet und ihnen bei der wichtigsten Zeit ihres Lebens beisteht. Sowohl Ellen als auch Harry sind in ihrer jeweiligen Art zurückhaltende Menschen. Harry spricht zwar mutig von der Kanzel zu seinen Kirchenbesuchern, hat aber so seine Probleme mit dem weiblichen Geschlecht. Insgeheim hat er schon jeden seiner Karriereschritte geplant und hofft auf größere Chancen, sieht die kleine Dorfgemeinde als Sprungbrett. Ellen dagegen ist eher in sich gekehrt und lebt ihre künstlerische Liebe im Geheimen aus, um ihre Familie und deren Erwartungen an sie nicht zu enttäuschen. Sie muss sich zwischen der Übernahme des elterlichen Hotels oder dem Ausleben ihres Restaurationstalents entscheiden. Die wunderbar gezeichnete Wohlfühlkulisse der Landschaft und seiner Bewohner lässt beim Leser ein unterhaltsames Kopfkino anspringen, doch täuscht es nicht darüber hinweg, wie sehr sowohl Harry als auch Ellen im Zwiespalt sind über ihre jeweiligen Lebenswege, was auch der Leser hautnah zu spüren bekommt. Feinfühlig und emotional laviert Büchle den Leser durch die Gedanken- und Gefühlswelt von Ellen und Harry, die es beide nicht leicht haben, besonders, da sie auch noch gegenseitig ihr Herz an den anderen verloren haben. Es ist spannend und rührend zu beobachten, wie beide innerlich mit sich kämpfen.

Den Charakteren wurde liebevoll Leben eingehaucht, mit ihren menschlichen Ecken und Kanten wirken sie authentisch, so dass der Leser sich ihnen sofort nahe fühlt und sich an ihre Fersen heftet. Ellen ist eine liebenswerte, sympathische Frau, die Angst vor ihrer eigenen Courage hat. Sie will niemanden enttäuschen, deshalb ist sie zurückhaltend, scheu, ja fast verschlossen, nur in den Gesprächen mit Harry kommt sie aus sich heraus. All ihre Hingabe legt sie in ihre künstlerische Arbeit, die sie erfüllt. Harry ist strebsam, korrekt, beflissen, gutaussehend und unbeholfen Frauen gegenüber. Seine Karriere hat er bereits genau geplant, ohne Eventualitäten zu bedenken. Ebenfalls überzeugen Opa Johann, Charlotte, Georg und weitere Protagonisten mit ihren Auftritten.

„Sommerglanz am Liliensee“ ist eine warmherzige, tiefgründige, aber auch romantische und sehr menschliche Geschichte, die den Leser sofort in ihren Bann zieht und die Gefühle Achterbahn fahren lässt. Wunderbares Herz- und Kopfkino mit absoluter Leseempfehlung!