Rezension

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Des Autors Alter Ego als Überheld. Übertrieben und spannungslos

Zerschunden - Michael Tsokos, Andreas Gößling

Zerschunden
von Michael Tsokos Andreas Gößling

Gut, dass ich den, zeitlich gesehen, zweiten Thriller von Michael Tsokos mit seinem Helden Dr. Fred Abel "Zersetzt" zuerst gelesen habe. So konnten einige Fragen bei "Zerschunden" gar nicht erst entstehen. Die Verhältnisse im Team der Rechtsmediziner mit abwechselnden Praktikanten, sein eigenes zu seiner älteren Schwester und zu seiner Frau. Dass sein Protagonist Abel bei der Bundeswehr war und so einiges gelernt hat, wissen wir bereits allzu gut. Und dies wohl auf die autobiografischen Züge des Autors hinweisen soll. Die Liebe zu seiner Frau Lisa ist wunderbar, bis auf die Tatsache, dass sie keine Kinder haben werden. Beide gehen in ihren Berufen auf, und so soll es bleiben. Obwohl, ein Hauch von Bedauern ist bei ihm, Abel, immer wieder zu spüren, wenn es bei Gesprächen um Kinder geht. Viel Zeit bleibt Dr. Abel aber nicht darüber nachzudenken, dafür sorgen schon die abstrusesten Verbrechen, deren Opfer ihm auf den Tisch kommen.
In diesem Thriller geht es Hauptsächlich um einen Fall, und der hat es in sich. Ein sogenannter Nachläufer tötet ältere Frauen nach Rückkehr in ihren Wohnungen, lässt alles nach einem Einbruchsmord aussehen und ist dabei sehr mysteriös. Hinterlässt der Täter doch auf dem Körper der Frauen einen Schriftzug in zwei verschieden Sprachen, die die Polizei wie auch die Rechtsmediziner verblüfft die Tat hinterfragen lässt. DNA-Spuren gibt es nicht genug, sie weisen nur auf eine bestimmte Gruppe, eine Familie hin. Und da kommt wieder die Bundeswehrvergangenheit von Dr. Abel ins Spiel. Ist doch ein alter Spezi, Lars, von ihm DER Tatverdächtige schlechthin. Alles deutet auf diesen, davon lässt sich die Polizei nicht abhalten. Dr. Abel wäre aber nicht er, wenn er nicht alles versuchen würde, den wahren Täter zu finden. Schließlich ist er der Rechtsmediziner, der das viel besser kann als jede Polizeidienststelle, zumindest in Europa. Und er muss sich beeilen. Denn die Tochter von Lars, Lilly, liegt im Sterben, und deren Mama dreht schier durch.
Das ist einer der Punkte, die irgendwann nur noch nerven. Der ständige Hinweis, dass Lilly im Sterben liegt und sie ihren Papa wiedersehen möchte, treibt Dr. Abel zu Höchstleistungen. Diese Wiederholungen sind aber vollkommen überflüssig. Man hat das Gefühl, dass hier Zeilen geschunden werden sollen. Der Autor lässt den Rechtsmediziner blitzschnell die Verbindung zu anderen gleich gelagerten Verbrechen ziehen, lässt ihn durch halb Europa reisen und dem Täter immer näher kommen. In Rückblenden erleben wir den Täter frühere Verbrechen begehen und seine Technik verfeinern.
Dr. Abel zieht die richtigen Schlüsse, auf der Arbeit vermisst ihn wohl keiner, seine Lisa hat für alles Verständnis, wie es scheint, nur mit seiner Schwester gibt es Probleme. Aber auch dafür gibt es bestimmt eine Lösung. Bei seinen Ermittlungen kommt er mit vielen Kollegen zusammen, arbeitet hervorragend und sofort in deren Teams und fühlt sich durch eine Polizistin an einen lange zurückliegenden, nur wenige Tage dauernden, Flirt erinnert. Durch gewisse Umstände kommt es zu einem gehauchten Kuss, den er nicht wagt seiner Schwester zu beichten. Mich als Leserin hätte es aber viel mehr interessiert, was seine Lisa dazu gesagt hätte. Tsokos schreibt, er hat die sogenannte Cliffhangermethode bei einem Kollegen gelernt. Ich denke, er übt noch.
Kurze Nebenstränge in andere Straftaten und Familienangelegenheiten lockern nicht immer auf sondern lassen einen nur verwundert zurück, was das mit dem eigentlichen Fall zu tun hat. Bei den letzten Seiten wusste ich nicht so recht ob ich lachen oder weinen soll. Sicher, so wie dort eine Situation beschrieben ist und als Cliffhanger auf das nächste Buch hinweisen soll, kann es sich tatsächlich abgespielt haben. Der Schreibstil hingegen über den übertrieben heldenhaften Abel lässt mich nur den Kopf schütteln. Ein Spiegelbestseller, der wohl hauptsächlich auf den berühmten Namen des Autors zurückzuführen ist. Und der Co-Autor, Andreas Gößling, ist nur auf den letzten Seiten zu finden. Schade.

 

Mehr über den Autor zum Beispiel unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Tsokos