Rezension

Dialektale Stolpersteine beim Lesen

Jeder geht für sich allein -

Jeder geht für sich allein
von Chisako Wakatake

Bewertet mit 2.5 Sternen

Momoko ist alt geworden. Mit 74 lebt sie allein in dem großen Haus, in dem ihre Familie einst lebte. Ihr Mann Shizo schon lange tot, die Kinder längst erwachsen. Sie hat immer die Einsamkeit geschätzt. Doch nun, im Alter, wird sie ihr zunehmend zur Last. Oft spricht Momoko mit sich selbst, im Dialekt ihrer provinzialischen Wurzeln. Dabei sinniert sie über ihr vergangenes Leben und setzt sich mit dem Alter auseinander.

 

Der nur etwa 100 Seiten lange Roman ist etwas zum Nachdenken. Es ist das kurze Porträt einer Frau, die auszog ihre Wurzeln hinter sich zu lassen, um am Ende doch genau dort wieder anzukommen.

Dennoch, muss ich sagen, habe ich mich mit diesen 100 Seiten unheimlich schwer getan. Für die originale Sprachfärbung des Romans, die so weit vom Hochjapanischen entfernt ist, dass jemand aus Tokyo Schwierigkeiten hätte, die Protagonistin zu verstehen, wurde im Deutschen ein vergleichbares Äquivalent gesucht. Die Schwierigkeiten, die ich mit diesem Buch hatte, waren genau darin begründet, und der Dialekt im Deutschen, der für Momokos Heimatsprache gewählt wurde, ist ebenso weit vom Hochdeutschen entfernt. Ich hatte Mühe gewisse Passagen nachzuvollziehen. Sie waren für mich wie unerwünschte Stolpersteine. Wenn es aber nur das gewesen wäre... Jedesmal beim Aufkommen des deutschen Dialekts wurde mein aufgebautes einer japanischen Momoko durch eine bäuerliche Hinterland-Deutsche ersetzt. Dieses „Rausreißen“ aus einem japanischen Roman war es, das für mich das Leseerlebnis ziemlich getrübt hat. An sich ein schöner Text, hatte ich aber doch immer wieder das Gefühl aus Japan nach Deutschland gezogen zu werden – etwas, das ich beim Lesen eine:r japanischen Autor:in eigentlich nicht will.

Die Mühe, die der Cass-Verlag in die Übersetzung dieses Buches gesteckt hat, konnte ich somit leider nicht würdigen.