Rezension

Die alte Garde britischer Expatriates

Gute Ratschläge -

Gute Ratschläge
von Jane Gardam

Bewertet mit 3.5 Sternen

Eliza Peabody ist überzeugt davon, dass ihre Nachbarin Joan dringend ihre Ratschläge benötigt. „Ich bin leider unverblümt.“ Nur hat sich Joan offenbar mit dem Familien-Volvo auf eine Orient-Reise begeben – ob Elizas gut gemeinte Briefe sie unterwegs erreichen werden? Eliza mimt von Beginn an die unzuverlässigste Erzählerin aller Zeiten. Was sie zu Papier bringt, wirkt höchst sonderbar und sollte nicht für bare Münze genommen werden. Gibt es überhaupt eine Joan in Elizas Straße? Falls ja, könnte deren Verschwinden einen simplen Grund haben, fragt man sich, ein Recherchestipendium für eine Weltumrundung auf dem Landweg etwa. In den 90ern des vorigen Jahrhunderts ist Eliza Anfang 50 und ihrer Ansicht nach eine Stütze des Ehrenamts in ihrer Kirchengemeinde. Oder hat sich Eliza mit den Daten ihrer Briefe etwa geirrt? Als Henrys Gattin gehört sie Englands diplomatischer Elite an, die jahrzehntelang im Ausland verbrachte und Hongkong besser kennt als London. Doch etwas muss mit Eliza nicht in Ordnung sein; denn Selbsteinschätzung und Realität klaffen weit auseinander.

Elizas Briefe bilden den Rahmen, um zahlreiche höchst verschrobene Figuren auftreten zu lassen, bei denen man sich wundert, unter welchem Stein sie bis in die 90er überdauern konnten. Die Spezies entwurzelter britischer Expatriates hat Gardam erfolgreich  in ihrer Old-Filth-Trilogie eingeführt. Wer Edward Feathers aus „Ein untadeliger Mann“ noch nicht kennt, sollte besser mit ihm den Einstieg ins Gardam-Universum starten.