Rezension

Die dörfliche Idylle kann trügen

Unter aller Sau - Christian Limmer

Unter aller Sau
von Christian Limmer

Wer mich ein wenig kennt, der ahnt sicher schon: ein Blick auf das Cover damals bei der Ankündigung des Buches und es war klar, dass es in mein Regal einziehen würde. Mit solch einer goldigen Rüsselschnauze bin ich einfach zu kriegen.
Allerdings klang auch der Inhalt vielversprechend und kam mir mit meiner Vorliebe für Regionalkrimis sehr entgegen.
Für mich ist “Unter aller Sau” ein Krimi mit einer sehr schönen und überraschenden Entwicklung.
An sich ist alleine der Leichenfund im Niedernussdorfer Wald für Dienststellenleiterin Gisela und ihre drei Kollegen Richie, Schorsch und Erwin bereits eine Ausnahmesituation. Doch dieser Fund zieht bald ungeahnt weite Kreise und wirft ein ganz neues Licht auf die kleine Ortschaft. Der Mord alleine ist für mich noch ein Verbrechen, das ich mir auch einem so kleinen Dörfchen vorstellen kann. Doch die Richtung, in die die Ermittlungen von Gisela & Co, sowie dem 70er-Jahre-Charmebolzen Hauptkommissar Lederer führen, sind schon eine Hausnummer darüber. Da wird einem beim Lesen schnell klar, dass auch die dörflichste Idylle arg täsuchen kann und die Einwohner keineswegs so harm- und ahnungslos und weltfremd sind, wie sie einem vorkommen. Es ist sehr reizvoll und spannend zu verfolgen, welche Abgründe sich auf den Niedernussdorfern Gehöften nach und nach auftun.
Das einzige, was mich an der Geschichte gestört hat ist, dass sich Gisela anfangs oft an frühere Ereignisse und Zusammentreffen mit Lederer erinnert. Das vermittelt den Eindruck, dass es bereits mindestens einen Krimi vor “Unter aller Sau” von Christian Limmer gibt. Soweit ich herausfinden konnte, gibt es jedoch keinen. Lediglich den Film “Sau Nr. 4″, in dem die gleichen Ermittler am Werke sind und für den Christian Limmer das Drehbuch schrieb. Für “Unter aller Sau” ist dieser Film allerdings ohne Belang, da außer den Mitwirkenden und dem Drehbuchautor keine für den Fall  bedeutsamen  Gemeinsankeiten bestehen. Wozu also diese Rückblicke? Um Leser auf den Film aufmerksam und neugierig zu machen? Vermutlich.
Die Geschichte lebt aber ganz klar und zum großen Teil nicht von diesem Fall, sondern von zwei anderen wesentlichen Elementen. Zum Ersten von ihren Charakteren. Anfangs sind das zunächst Gisela, die leitende Polizistin der Dorfdienststelle, die für ihre “Jungs” beinahe so etwas wie eine zweite Mutter ist, und eben die “Jungs” selber. Richie, der kiffende Ex-Musiker, der etwas depperte, aber liebenswerte Erwin, und schließlich Schorsch, der zumindest gelegentlich etwas Autoritäres an sich hat. Diese Truppe schließt man schnell ins Herz und es ist das pure Vergnügen zu verfolgen, wie Gisela mit ihnen in den Kampf gegen der organisierte Verbrechen zieht.
Später mischt dann noch Hauptkommissar Lederer aus Straubing mit. Der ist mit seiner Aufmachung vom Pornobalken bis hinunter zu den Cowboystiefeln zwar die schiere Beleidigung an den guten Geschmack und die gesamt Beamtenschaft der Münchner Polizei außerdem, aber mit seinem großen Mundwerk und den unorthodoxen Hau-drauf-Ermittlingsmethoden auch ein spaßiger Kontrast zu den Dorfbeamten. Die Scharmützel zwischen Gisela und ihm sind mindestens zum Schmunzeln. Ich habe oft sogar laut darüber gelacht.
Auch sonst gibt es immer wieder Anlass zum Lachen, denn nicht selten stellen sich speziell Gisela und ihren drei Helden sehr ländliche Probleme und Zwischenfälle in den Weg. Da gibt es schon mal eine Verfolgungsjagd mit dem Traktor, eine Jagd auf Zeugen hoch zu Rindvieh oder auch Dorfbewohner, die mit der Flinte für Recht und Ordnung sorgen wollen.
Da der Geschichte sehr viel Lokalkolorit anhaftet, wirkt dies jedoch nie platt und slapstick-like. Es passt halt einfach hinein. Wer nach einem Blick auf das Cover noch einen bierernsten Krimi erwartet hat, dem ist eben nicht zu helfen.

“Unter aller Sau” liest sich wunderbar leicht. Daran ändert es auch nichts, das hier und da ein wenig Dialekt mit eingestreut wird. Damit kommt man selbst als Nicht-Bayer prima klar. Außerdem sorgt es noch zusätzlich für Lokalkolorit. Überraschenderweise gibt es keine Kapiteleinteilung. Das führt -zumindest bei mir- bei einer unterhaltsamen Geschichte oft dazu, dass ich sie in einem Rutsch lese. Kapitelweise-Leser müssen sich ihre “Pausen” hier selber suchen.

Wie gesagt bin ich in das Cover sehr verliebt. Die Schweinenase und die spitzen Öhrchen sind einfach zu niedlich. Und es passt zum Titel. Mit ein wenig Phanatsie könnte man aber auch sagen, dass niemand in Niedernussdorf etwas von den zwielichtigen Vorgängen gewusst bzw gesehen haben will. Nicht einmal die Schweine.

Fazit: Mir hat “Unter aller Sau” viel Spaß gemacht. Ein solider Krimi, der schön an der dörflichen Idylle kratzt, der vor allem aber von seinen liebenswert schrägen Charakteren und so manch komischer Szene lebt. Ich hoffe sehr, es bleibt nicht der letzte Fall für Gisela, Schorsch, Erwin, Richie und dem unverbesserlichen Kommissar Lederer.