Rezension

Die dubiose Witwe

Jezebels Tochter - Wilkie Collins

Jezebels Tochter
von Wilkie Collins

Bewertet mit 4 Sternen

Als der Kaufmann Wagner stirbt übernimmt seine Witwe sein Geschäft und seine fortschrittlichen Ideen. Während am Londoner Hauptsitz des Geschäftes Frauen bereits arbeiten ist der Handelspartner in Deutschland nicht ohne weiteres von der Idee zu überzeugen. David Glenney, Mrs. Wagners Neffe, reist nach Frankfurt a.M. um ihre Interessen zu vertreten und Erfahrungen zu sammeln. Fritz, der von seinem Vater nach London geschickt wurde, um seine nicht standesgemäße Geliebte zu vergessen, beauftragt David nach dem Mädchen zu forschen. Der Zufall bringt David mit dem Mädchen zusammen, doch auf deren Mutter lastet ein grauenhafter Verdacht. Unaufhaltsam verweben sich die Schicksale zu einem verhängnisvollen Geschick.

Während der Lektüre kommt manchmal der Verdacht auf, dass er seiner Kategorisierung  als Kriminalroman nicht gerecht wird. Wenn auch immer wieder Zweifel aufkommen, ob das Offensichtlich tatsächlich der Wahrheit entspricht, glaubt man doch von Anfang an alles durchschaut zu haben. Erst nach und nach wird einem klar wie perfide der Autor arbeitet und wie komplex die Geschichte ist. Die Kriminalgeschichte ist wie ein hübscher kleiner Mantel, der die wahre Geschichte verbirgt. Wilkie Collins zeichnet ein meisterliches Bild des 19. Jahrhunderts. Die Gesellschaft, insbesondere die Rolle der Frau, porträtiert er exzellent. Doch auch der gesamte Umbruch, der sich im 19. Jahrhundert vollzog und herkömmliche Rollen zwischen Ständen und Geschlechtern für immer veränderte ist ein großes Thema. Wissenschaft und Magie, Vorurteile und Wirklichkeit, Wilkie Collins gab sich nicht mit einem Thema zufrieden. Mag die Kriminalhandlung ihrem Genre vielleicht nicht ganzgerecht werden, dieses Buch lohnt sich trotzdem auf jeden Fall!