Rezension

Die entfesselte Kraft der ewig sich Bewegenden...

Kaltes Herz - Charlotte Freise

Kaltes Herz
von Charlotte Freise

Bewertet mit 5 Sternen

Berlin 1900. Hetti Keller wächst wohlbehütet bei ihrer Mutter auf. Bisher galt ihre ganze Aufmerksamkeit der Musik. Im Gesang liegt ihre Begabung und sie verzaubert Nacht für Nacht das Publikum mit ihrer Stimme. Als sie sich von einem Zuschauer verfolgt fühlt, bekommt sie Hilfe von Charles, einem jungen Briten. Nach und nach entwickelt sich bei den Beiden eine zarte Bande. Da das auch Hettis Mutter nicht verborgen bleibt und diese Charles als nicht standesgemäß empfindet, schickt sie ihre Tochter zu ihrer Tante aufs Land. Die Verwandten führen eine Weißwäscherei. Dort scheint die junge Frau jedoch auch nicht wirklich willkommen zu sein. Ihre Tante bringt ihr nur Ablehnung entgegen, fast alle Cousinen sehen in ihr ein verwöhntes Stadtkind und ihren Onkel bekommt sie überhaupt nicht zu Gesicht, da er in einem Seitentrakt des Hauses unermüdlich an seiner Erfindung arbeitet. Was ist das für eine Maschine, deren monotone Geräusche das ganze Haus erschüttern und durch deren Wirken schon Risse an den Wänden sichtbar werden? Einzig in ihrer Cousine Ida findet Hetti eine Vertraute. Alles was ihr jetzt noch bleibt, ist die Hoffnung, dass Charles nach ihr sucht und sie irgendwann finden wird.

Wie man es von der Autorin gewöhnt ist, verwischt sie auch bei diesem Roman die Genregrenzen, welches dem Roman die gewisse Würze verleiht. Dabei macht sie einen Ausflug in die Welt des historischen Romans, lässt aber auch Spannung und Geheimnis nicht zu kurz kommen und als Krönung kommt noch ein Schuss Romantik dazu. Besonders der erotische Groschenroman aus der damaligen Zeit, den Hetti und Ida lesen, ist ein Schmunzeln wert. Erzählt wird die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven, somit erhält der Leser ein plastisches Bild von der Handlung. Atmosphärisch fängt die Autorin den Zeitgeist um die Jahrhundertwende ein. Besonders die Unaufgeklärtheit der Mädchen und ihre daraus ufernde Naivität, spiegelt das damalige Miteinander wieder.

Charlotte Freise auch bekannt als Karla Schmidt überzeugt hier mit einem sehr malerischen Schreibstil. Mitunter zeichnet sie in ihrer bildhaften Sprache eine eher düstere Landschaft. Mit ihren vielschichtigen Figuren und auch manchen rätselhaften Charakteren erzeugt sie spannende Konstellationen. Ihre Protagonisten sind etwas kantig und sperrig und erfordern oftmals einen zweiten Blick. Dennoch findet man darunter Personen, mit denen man mitfühlen oder mitfiebern kann.

"Kaltes Herz" - eine Reise in die Zeit der großen Erfindungen, die mitunter ein unheimliches Eigenleben entwickeln konnten - rätselhaft und spannend sogleich.