Rezension

Die erste deutsche Ärztin

Die Ärztin - Anke Michel

Die Ärztin
von Anke Michel

Bewertet mit 3 Sternen

Zuerst einmal finde ich die Herangehensweise der Autoren an dieses Werk sehr merkwürdig. In ihrem Nachwort beschreiben die Autoren, dass sie zuerst eine Fassung des Buches geschrieben haben, die allein auf ihrer Fantasie beruhte. Als nächstes haben sie sich gefragt, welche Elemente eine spannende Geschichte ausmachen und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass das wohl große Liebe und Leidenschaft, Lebensgefahr und Zerreißproben wären. Also haben sie der Biographie der Dorothea von Erxleben noch die nötigen fehlenden Elemente hinzugedichtet, alles unter dem Motto "Mach deinem Protagonisten das Leben so schwer wie möglich". Ich bin mir nach Lesen des Buches nun nicht mehr sicher, was ich von dieser Vorgehensweise halten soll. Auf der einen Seite denke ich, dass ein historischer Roman gut recherchiert sein sollte, dass er insbesondere dann, wenn er sich um eine bekannte Persönlichkeit dreht, auch biographisch sein sollte und nicht fktiv. Aber auf der anderen Seite ist das Ergebnis der Arbeitsweise der Autoren eigentlich nicht schlecht. Das Buch ist in Ansätzen spannend und dramatisch, Liebe ist im Spiel und ich wurde gut unterhalten. So richtig verurteilen kann ich das Vorgehen der Autoren daher nicht.

Allerdings steht ihr Motto "Mach deinem Protagonisten das Leben so schwer wie möglich" wohl im Gegensatz zu folgendem Zitat, das sich ebenfalls im Nachwort findet:

"Um das Leben der Dorothea Erxleben in Romanform zu erzählen, haben wir uns entschieden, uns von den Zwängen der historischen Fakten zu lösen und ihr Leben "neu zu erfinden". Das heißt nicht, dass wir die Persönlichkeit dieser außergewöhnlichen Frau verändern und nach unserem Bild formen wollten, im Gegenteil. Wir haben viel zu viel Hochachtung vor der enormen Lebensleistung der Dorothea Erxleben, mehr noch, wir lieben sie ! Und wenn man dies tut, so will man nur das Beste für die Protagonistin und unternimmt alles, sie nicht zu beschädigen."

Aber wie gesagt, wirklich verurteilen kann ich die Arbeitsweise der Autoren nicht, denn im Ergebnis bin ich doch recht zufrieden mit dem Buch.

Allerdings muss ich die Oberflächlichkeiten kritisieren. Die Zeit vergeht viel zu schnell. Die ersten Jahre der Dorothea, als sie 11, 13, 15 ist, werden noch in Ansätzen ausführlich beschrieben. So wird unter anderem erzählt, wie Dorothea ihren Vater zum Lenzmarkt in Quedlinburg begleitet und dort den brühmt-berüchtigten Doktor Eisenbart kennenlernt, der öffentlich Heilbehandlungen vornimmt, die jedoch sehr umstritten sind. Von ihm ist Dorothea wenig beeindruckt, da sie ihn für einen Scharlatan hält und aufgrund ihres ansehnlichen Wissens seine Behanlungsmethoden durchschaut. Als sie jedoch sowohl Doktor Eisenbart als auch ihrem Vater bei einer schwierigen Operation assistieren darf, verstärkt sich ihr Wunsch, Ärztin zu werden und fortan tut sie alles dafür, um diesen Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen.

Aber dann vergeht die Zeit viel zu schnell. Und hier wird es doch gerade interessant. Denn Dorothea hat sich gegen Widersacher zu verteidigen, bekommt dabei Unterstützung von der Herzogin, verliebt sich und kämpft für ihre Rechte. Dabei zieht sie sich jedoch großen Zorn zu. Etwas mehr Tiefgang wäre hier nötig gewesen und dies vor allem deshalb, weil historische Romane ruhig mehr als 300 Seiten verkraften können.

Dorothea selbst war mir sehr sympathisch. In ihren jungen Jahren überzeugt sie durch ihre Frechheiten, im Erwachsenenalter durch ihr Selbstbewusstsein und ihre Intelligenz. Die anderen Charaktere blieben leider etwas blass, konnten mich aber größtenteils dennoch für sich einnehmen. Die Handlung selbst ist, wie bereits erwähnt, an manchen Stellen spannend, insgesamt recht lebhaft, teils dramatisch und teils romantisch. Aber all dies nur oberflächlich und angedeutet, es fehlt die nötige Tiefe.

Zur Sprache möchte ich auch gerne etwas schreiben: Die Autoren haben sich hier ebenfalls bemüht, der Zeit entsprechend zu schreiben. Aber dabei übertreiben sie es zu sehr. Sie verwenden viele französische Ausdrücke, die mich mit der Zeit sehr genervt haben, zumal ich kein Französisch kann. Die Personen bedanken sich mit "merci", verabschieden sich mit "Adieu!" und der gute Doktor ist der "cher Doctuer". Dazu sind die Ereignisse nicht nur harmlos gut oder schön, sondern sie sind famos und superb, gravitätisch wird Platz genommen und devot wird sich verhalten. Den Autoren gelingt es aber nicht, diesen Stil beizubehalten, denn daneben wirken Wörter wie Hanswurst und Hallodri doch etwas fehl am Platz. Aber auch ganze Sätze werden auf Französisch gewechselt, immerhin machen sich die Autoren die Mühe, diese im Sinnzusammenhang zu übersetzen.
Aber auch an lateinischen Ausdrücken und Redewendungen fehlt es nicht, die mir mit der Zeit aber ebenfalls auf die Nerven gegangen sind. Mehr Authentizität erlangt das Buch wohl durch seine Wortwahl der deutschen Sprache. Sätze und Ausdrücke wie "Frau Magister, ihr dauert mich."oder "Bitt euch aufrichtig, wenn's beliebt" haben mich doch das ein oder andere Mal schmunzeln lassen.

Interessant fand ich auch den Aufbau des Buches: Eigentlich ist es ja immer so, dass der Prolog Ereignisse erzählt, die vor dem eigentlichen Hauptteil spielen. Aber bei diesem Buch ist das etwas anders, denn im Prolog ist Dorothea bereits 46 Jahre alt. Die folgenden Kapitel erzählen ihren Werdegang und der Epilog schließt unmittelbar an den Prolog an. Das fand ich sehr interessant und hat mir gut gefallen.

Mein Fazit:
* * * * * *
Ein lockerer und recht unterhaltsamer Roman, dem es jedoch an historischer Belegtheit mangelt und der aufgrund seiner stilistischen Besonderheiten teilweise schwierig zu lesen war.