Rezension

Die erste und einzige Liebe

The Only Story - Julian Barnes

The Only Story
von Julian Barnes

Bewertet mit 5 Sternen

Der 19-jährige Paul und die 48-jährige Susan verlieben sich ineinander und beginnen eine Beziehung. Aus diesem Plot hätte eine banale Liebesgeschichte werden können. Was Julian Barnes aus dem Stoff macht, ist jedoch alles andere als banal.

Ungewöhnlich ist zunächst, dass der Ich-Erzähler Paul den Leser direkt anspricht und deutlich macht, dass er diese eine Geschichte, die in seinem Leben wirklich zählt – daher der Titel – so genau und wahrheitsgetreu wie möglich wiedergeben will. Sie beginnt vor 50 Jahren, als er im Tennisclub eines Londoner Vorortes die verheiratete Susan Mcleod kennen- und lieben lernt. Ihre Liebe, so bekommt man den Eindruck, ist wahrhaftig, stark und lässt keine Zweifel zu.

Interessant ist, wie von diesem gemeinsamen Startpunkt aus sich die Liebe unterschiedlich für die beiden entwickelt. Während für den unbedarften Studenten Susan und das Gelingen der Beziehung zum Lebensinhalt wird, wird diese von ihrer Vergangenheit eingeholt. Welche seelischen Altlasten sie aus ihrer gescheiterten Ehe mit sich herumschleppt, wird erst im zweiten Teil enthüllt. Entsprechend schlägt auch der Ton im zweiten Teil um. Von der leichten und beschwingten Stimmung ist nichts mehr zu spüren. Die Beziehung steuert immer mehr einer Katastrophe zu, die Paul trotz größter Bemühungen nicht abwenden kann.

Jeder junge Mensch muss sich dem Ernst des Lebens stellen und „erwachsen“ werden, doch was Paul zugemutet wird, ist harter Tobak. Mich hat zutiefst bewegt, wie sich seine Zuneigung und sein Verantwortungsgefühl allmählich in Schuldgefühle verwandeln, weil er offensichtlich Susan nicht glücklich machen kann. Er möchte das, was ihn mit ihr verbindet, als etwas Besonderes ansehen und muss feststellen, dass er in ein gängiges Muster hineingeraten ist. Julian Barnes beleuchtet jeden Blickwinkel dieser tragischen Beziehung und die changierenden Gefühlslagen – von Hoffnung bis zur Ohnmacht – so detailliert und lebensnah, dass man sich bis zum Schluss der Sogwirkung nicht entziehen kann.